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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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reden. Raff hatte die Grenze überschritten, das ging doch hier allen auf die Nerven. Sturtevantschlug mit den Händen auf den Tisch, aber nicht zu laut, schließlich war Sunderland nur knapp über einen Meter von ihm entfernt. «Was meinen Sie damit? Dass wir uns zurückziehen sollen? Das hier ist der beste Deal, den unser Unternehmen je abgeschlossen hat. Die Leute zieht es schon längst in diese Gegend. Die Grundstückspreise steigen. Die Nokobee Westside wird uns die höchsten Profite einbringen, die wir je gemacht haben.»
    Er wartete, ließ seine Worte wirken, dann fuhr er ruhig fort: «Sehen Sie mal. Die ganze Gegend da ist jetzt vielleicht irgend so ein Kiefernwald, aber in ein paar Jahren wird sie genauso bebaut sein wie alle Vorstädte von Mobile und Pensacola. Da lässt sich bald richtig hübsch wohnen. Der Neue Süden und all der Kram, klar. Da gibt es dann Wohnraumentwicklung, Schulen, Einkaufszentren. Jede Menge befestigte Straßen. Keiner wird das irgendwie aufhalten. Und gefährdete Arten, oder was immer Sie da faseln, haben doch da sowieso keine Chance, oder? Warum können wir nicht nur das Moor und vielleicht ein paar Morgen Kiefernwald stehen lassen, vielleicht ein kleines Naturzentrum, damit sollte sich ein Richter oder eine Geschworenenbank doch begnügen, und den Umweltleuten legen wir einfach einen abgeschlossenen Deal vor. Sollen sie das doch einfach schlucken. Fait accompli, wie sie oben in Emory sagen.»
    Richard Sturtevant war ein guter Kerl mit starker Moral, ein ehemaliger Baptistenpastor, der nicht ein Mal seine Frau betrogen hat. Sein Glaube gab ihm innere Ruhe: Egal, was passiert, Gutes oder Schlimmes, egal, ob es einleuchtet oder den menschlichen Verstand übersteigt, es ist der Wille Gottes. Gleichzeitig hatte er aber auch einen MBA von der Emory University, und in seinem Herzenwohnte das elfte Gebot des Profits. Die Menschen zählten für ihn, Jobs zählten, und das ökonomische Wachstum, das sich im jährlichen Pro-Kopf-Einkommen messen ließ, war Amerikas Messlatte. Ob dabei ein paar seltene Arten im Spiel waren, musste auf der Prioritätenliste schon ein paar Posten weiter unten rangieren.
    Sturtevant meinte Sunderland nicken zu sehen, und so beschloss er, noch eins draufzusetzen und die sakrale Massenvernichtungswaffe zu zücken. «Das ist Gottes Wille», sagte er mit verkrampften Lippen. «Es steht doch wörtlich in der Schrift: Wir sollen uns die Erde untertan machen – nicht rumsitzen und gaffen, sondern sie benutzen, um mit ihr zu gedeihen und uns zu vermehren.»
    Darauf war Raff vorbereitet. Längst wusste er, dass Gott sich irgendwie in das Gespräch mit einmischen würde. «Ich weiß, was Sie meinen, Rick. Aber bedenken Sie einmal Folgendes. Den Leuten ist ihre Lebensqualität wichtig, und die Nokobee Westside ist der Inbegriff der Lebensqualität. Ich sage Ihnen, diese ganze Sache kann ein schlimmer Schlag ins Gesicht werden, wenn wir zu bedenkenlos vorpreschen. Ich weiß nicht, ob Sie schon mal diesen Umweltreporter beim
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gelesen haben, Bill Robbins, der setzt bei so etwas zum Todesstoß an. Dieser Junge kennt den Namen jeder Pflanzenart in dieser Gegend von Alabama, und die meisten Tiernamen auch, und eine besondere Vorliebe hat er für Moore und Altbestände von Sumpfkiefern. Wenn wir nur eine einzige falsche Bewegung machen, wird er auf uns hinabstürzen wie ein Habicht auf ein einbeiniges Hühnchen. Und die großen Umweltorganisationen mischen dann auch mit – Sierra Club, Nature Conservancy, Longleaf Alliance –,und eine ganze Menge Leute hier in der Gegend, von denen Sie noch nie gehört haben.»
    Sturtevant warf die Hände in die Luft und fuhr Raff hart an. «Also, das ist ja eine einseitige Darstellung sondergleichen. Sie vergessen, dass es hier auch eine ganze Menge Leute gibt, die mit Kiefernwäldern gar nichts anfangen können. Und zwar der Großteil der Bevölkerung, um ehrlich zu sein. Wir leben in einer der konservativsten und am stärksten religiös geprägten Gegenden Amerikas. Natürlich gehen viele Leute gerne raus in den Wald zum Jagen und Fischen und so, aber sie sind der Meinung, dass der Mensch zuerst kommt, wenn es je irgendwelche Konflikte gibt. Sie haben keine Lust auf reihenweise Naturparks mit Wächtern an jeder Ecke. Sie haben keine Lust darauf, dass die Regierung sich in ihr Privatleben einmischt. Sie haben keine Lust darauf, dass die liberalen Bürokraten oben in Montgomery und Washington alles Mögliche regulieren und ihnen

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