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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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Leuten.
    Marcias Zweig der Semmes aus Mobile stammte von einem Cousin des konföderierten «Seewolfs» ab, Admiral Raphael Semmes. Wenngleich es in ihrer Generation auch direkte Nachfahren des großen Helden gab und sie selbst nur zu einer Seitenlinie gehörte, sollte sie Raff später einprägen: «Denk daran, Sohn, du bist, was deine Vorfahren sind.» Und: «Du brauchst alle Hilfe, die du in diesem Leben bekommen kannst, und hier unten ist ein großer Name sehr wichtig.» Nie zog sie die Möglichkeit in Erwägung, dass Raff sich vielleicht einmal anderswo in der Welt niederlassen würde, so wie jemand Gewöhnliches vielleicht im Norden eine Arbeitsstelle suchte, oder dass das hochgeschätzte Andenken an den großen Helden, nach dem er benannt war, womöglich eines Tages ehrfürchtig zusammengefaltet und ein für alle Mal an einem sicheren Ort des Gedenkens verpackt würde, gemeinsam mit den Sternen und Streifen des konföderierten Kriegsbanners.

8

    D as FloraBama war eine berühmte Adresse genau an der Stelle der Küste, wo Florida und Alabama aneinandergrenzten. Hinter dem Restaurant gab es einen schneeweißen Sandstrand und seichtes türkisblaues Wasser, das sich ohne Unterbrechung von der Bucht von Perdido im Osten bis ganz im Westen ans Fort Morgan am Eingang zur Bucht von Mobile erstreckte. Schon in den 1970er Jahren war es bekannt als In-Treff im lockeren Redneck-Stil; Familien konnten da von Papptellern Berge von Shrimps essen und Männer ihr amerikanisches Bier direkt aus langhalsigen Flaschen trinken. Junge Rechtsanwälte und Börsenmakler zwängten sich an der Bar neben Lkw-Fahrern und Austernfischern – zwischen echten Menschen also, denen nämlich, die die Dinge des Lebens tatsächlich herstellten und zusammenbauten.
    An einem Samstagabend kam Marcia mit einer Gruppe Kommilitoninnen aus dem Spring Hill College ins FloraBama. Einer der echten Menschen, die sich bei Marcias Ankunft im Raum befanden, war Ainesley Cody aus West Pirate Beach, Alabama, der ein Abschlusszeugnis von der Fairhope Senior High School in der Tasche hatte und ansonsten erfahrener Automechaniker und Teilzeit-Dattelpflaumen- und Erdbeerpflücker war. Er saß mit vier Freunden an einem Tisch neben der Bar, wo sie Bier tranken und junge Frauen musterten, wenn sie durch die Türkamen. Sie verteilten für die Gesamtattraktivität Punkte von null bis zehn und planten gerade die Verleihung einer improvisierten Goldmedaille an die Erste von ihnen, die einstimmig alle zehn Punkte zugesprochen bekam. Nach eineinhalb Stunden ohne Gewinnerin stritten die ungeduldigen Schiedsrichter gerade darüber, ob die erforderliche Punktzahl auf neun abgesenkt werden sollte.
    Als Marcia eintrat, zuckte Ainesley zusammen, dann ließ ihn ihr Anblick erstarren. Zunächst war da ihre kleine Körpergröße, die so gut zu seiner passte. Sie war sogar noch kleiner als Ainesley, und das wurde im wohlgenährten Süden zunehmend eine Seltenheit. Die meisten jungen Frauen waren so groß wie er oder größer, und sie hatten
große Füße
. Marcias Füße dagegen waren viel zierlicher. Ihre Kleidergröße, so sollte er später erfahren, war XS. Dann folgte mit dem Zwei-Sekunden-Blick, der bei den Männern fest verankert ist, eines nach dem anderen: gute Figur, hübsches Gesicht, gepflegtes Haar, adrette Kleidung, anmutige Erscheinung. Unterm Strich: eine wirklich gut aussehende junge Frau. Obendrein unterhielt sie sich angeregt und zeigte dabei ein vom Kieferorthopäden einwandfrei hergerichtetes Lächeln.
    «Seht ihr das, die ganz links?», fragte er seine leicht verlotterten Kumpane. «Schaut euch die mal an. Klare zehn, ihr müsst zehn Punkte geben. Der geh ich persönlich Hallo sagen.»
    Damit stand er auf und ging quer durch den Raum zu den Mädchen, die sich gerade an ihrem Tisch niederließen. Ohne einen Blick für die anderen straffte er die Schultern, blickte Marcia in die Augen und knipste das gewinnende Lächeln an, das er so oft vor dem Spiegel geübt hatte.
    «Entschuldigung, Miss. Mein Name ist Ainesley Cody, und ich wohne hier in der Nähe und komme oft hierher, und ich muss nur sagen, und die anderen Kumpels da drüben sind sich mit mir einig, dass Sie das hübscheste Mädchen sind, das diesen Ort je betreten hat. Sie sind einfach umwerfend!»
    Marcia blickte nervös nach rechts und nach links, dann wieder zu Ainesley, ihre Miene sagte
Meinen Sie etwa mich?
Die anderen Mädchen kicherten. Mehrere von ihnen, die alle größer waren als Marcia, fanden

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