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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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der sich eine Belohnung missgönnte. Seit seiner Jugend war er Kettenraucher, konnte sich allerdings immer noch einschränken wie jetzt in Gegenwart von Marcia und ihren Eltern. Trinkfestigkeit hielt er für eine männliche Tugend. Wochenends nahm er gelegentlich an Trinkgelagen teil, bei denen Marcia aber nie dabei sein durfte.
    Seinem Milieu entsprechend war Ainesley ein Waffennarr. Sein Vater und dessen Vater hatten Sammlungen von Feuerwaffen zusammengetragen, die so umfangreich waren, wie das Gesetz und der Platz im Haus es irgend zuließen. Bei seinen Eltern in West Pirate Beach hing ein Foto seines Großvaters mit zweien seiner Brüder, die hinter einem erlegten Schwarzbären standen und ihre Gewehre im Arm hielten. Das erlegte Tier war eines der letzten Exemplare dieser gefährdeten Subspezies aus Florida gewesen, das je im Escambia County gesehen wurde.
    Von früher Kindheit an genoss es Ainesley, neben Jagd- und Angelausflügen, wenn er mit seinem Vater zu einer verlassenen Farm im Jepson County fahren und dort einzelne Stücke aus dem Waffenschatz der Familie ausprobieren konnte. Bei solchen Gelegenheiten durfte er eine alte Armeewaffe testen, einen .45er Colt, und ein Gewehr, das während des spanisch-amerikanischen Kriegs einem entfernten Vetter gehört hatte. Damals und auch später noch beeindruckte Ainesley der Anblick zutiefst, wenn nach dem Auslösen des Schusses Gegenstände in Stücke gerissen wurden.
    Ainesley war Patriot. Als Junge träumte er davon, mit einem Maschinengewehr und mit Granaten Bunker zu vernichten und, die Brust behängt mit Orden, in einerSiegesparade die Government Street hinunterzumarschieren. Während des Vietnamkriegs bewarb er sich als Siebzehnjähriger um Aufnahme ins Marine Corps, wurde aber aus Gründen abgelehnt, die er später lieber für sich behielt.
    Und schließlich war Ainesley Rassist. Doch in einer ganz eigenen Weise brachte er das mit seinem Ehrenkodex in Einklang. Er selbst nannte sich einen Separatisten. In gehobener Begleitung sagte er ein raffiniertes Sprüchlein auf: «Ich habe nichts gegen Farbige; ich will eben nur unter meinesgleichen bleiben.» Ansonsten blieb er zu diesem Thema immer stumm und legte sich nicht fest – außer wenn er in Kneipen und auf Angeltouren mit gleichgesinnten weißen Männern Bier trank.
    Ainesley hatte immerhin einen vorzeigbaren Stammbaum. Er und seine nahen Verwandten beanspruchten für sich, dass seit der Revolution in jedem amerikanischen Krieg ein Cody mitgekämpft hatte, und das war wahrscheinlich wirklich so. Mehrere seiner Vorfahren gehörten zum Clan der Hodges, die Blakeley und das fruchtbare Land des späteren Baldwin County hinter der Bucht von Mobile besiedelten, als Mobile selbst noch ein schlammiges Dorf war. Ein anderer Ahn, John Tom Cody, und dessen Bruder Lee gehörten zu den Hitzköpfen aus Mobile, die sofort in die Artillerie von Alabama eingetreten waren, als sie vom Angriff auf Fort Sumter hörten, mit dem 1861 der Bürgerkrieg begann. Bis zum Ende blieben sie einfache Gefreite und halfen, die «Hornissennester» scharfen Kanonenfeuers anzulegen, die in Shiloh die unionistischen Streitkräfte zurückdrängten. Lee geriet in Murfreesboro in Gefangenschaft, doch John Tom kämpfte trotz einer Verletzung am rechten Beinweiter. Er wurde in der letzten Schlacht des Bürgerkriegs gefangen genommen, die einen Tag nach Robert E. Lees Kapitulation in Appomattox ausgetragen wurde, bevor die Nachricht die versammelten Bataillone erreichte. Zufällig fand diese Schlacht bei Fort Blakeley in Süd-Alabama statt, so dass John Tom nur sein Gewehr und sein Bündel zu schultern brauchte und in einem Tagesmarsch zu Hause war. Zurück in Mobile heiratete er und gründete eine große Familie.
    Ainesleys und Marcias Techtelmechtel kam unter den Augen der Semmes-Familie mühsam voran. Marcias Eltern ließen sich wie sie selbst von Ainesleys Charme und seinen unfehlbar guten Manieren täuschen. Er brachte sie pünktlich nach Hause, jedes Mal. Er sagte ihren Eltern, er sei Juniorchef im Unternehmen seines Vaters und studiere nebenbei gelegentlich an der University of West Florida.
    Sie beobachteten Ainesley nur oberflächlich. Sie sahen, wie er sich gab, nicht den echten jungen Mann, der sich dahinter verbarg. Sie stellten die nötigsten Fragen und begnügten sich mit den Antworten, die sie darauf erhielten, und den schlichten Annahmen, die sie selbst machten.
    «Wer sind seine Leute? Die Codys aus dem Baldwin County? Das ist eine

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