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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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Kante hinuntersprang.
    Gleichzeitig war er freundlich. Schüchterne Studenten lockte er gern aus der Reserve. «Hey, George, haben Sie nicht letzten Sommer oben in Cave Springs einen dieser blinden Höhlenkäfer erwischt? Ich vermute, es handelt sich um eine Art des Pseudanophthalmus. Es war wunderbar, ein lebendes Exemplar zu sehen. Haben Sie noch welche in Ihrem Terrarium? Und können wir die mal sehen?»
    Als Student im Honors Program durfte Raff schon Entomologie belegen, obwohl er erst im zweiten Semester war. Und auch zu den Käferpartys schlich er sich ein, das heißt, er kam einfach und saß auf einem Stuhl am Rande der Gruppe. Bald schon stellte er Fragen und konnte auch ein paar Schauergeschichten aus seinem Entomologen-Leben am Nokobee loswerden. Abenteuergeschichten über Käfer hatte er eine ganze Reihe auf Lager: eine massenhafte Vermehrung von Riesenkäfern, geflügelte Hahnenkämpfe zwischen Kardinal-Schmetterlingen, die Ankunft eines Honigbienenschwarms in einer verlassenen Spechthöhle.
    Raff verfügte über genügend solcher Anekdoten, umsich mit den älteren Studenten messen zu können. Seine Trumpfkarte aber war der Bericht über die Ameisenhügel am Dead Owl Cove. Er hatte alle Nester, die er finden konnte, auf einer Karte verzeichnet; das gehörte zu den Aufgaben, die er für ein Pfadfinderabzeichen in Insektenkunde hatte erfüllen müssen. Auch über die Bewohner zweier Ameisenhaufen hatte er Notizen angefertigt. Und er hatte protokolliert, welche Beute die Arbeiterinnen von der Futtersuche heimbrachten. Schließlich war er per Zufall der glückliche Zeuge eines spätsommerlichen Hochzeitsflugs geworden, bei dem geflügelte Jungköniginnen und Männchen von den verstreut liegenden Ameisenhügeln aufgeflogen waren und sich mitten in der Luft gepaart hatten.
    Needham hatte eine besondere Vorliebe für Ameisen, ebenso wie ich.
    «Ich bin ganz sicher, dass ich dieser Art schon in anderen Teilen der Sumpfkiefersavanne begegnet bin», sagte er. «Vielleicht ist es eine neue Art. Solche Hügel sind in diesem Landesteil sehr selten, aber wenn ich mich recht erinnere, sind sie dort, wo man sie findet, dicht besiedelt. Ich vermute mal, dass jeder Hügel das Nest einer separaten Kolonie darstellt, aber sicher bin ich mir da keineswegs.»
    Raff antwortete eifrig. «Ich glaube, sie sind separat. Ich habe mehrmals beobachtet, wie Arbeiterinnen aus verschiedenen Nestern gegeneinander gekämpft haben.»
    «Hey. Wir könnten doch an einem Samstag mal rüberfahren nach Nokobee und uns das ansehen», sagte Needham. «Wir könnten ein paar Leute zusammentrommeln und eine Exkursion daraus machen.»
    Zwei Samstage später fand besagte Exkursion an denNokobee statt. Raff verbrachte dieses Wochenende zu Hause. Er hatte Needham eine Wegbeschreibung und eine handgezeichnete Karte zum See gegeben.
    Früh an diesem Morgen fuhr Ainesley ihn an den Nokobee-Pfad, so dass er die anderen erwarten konnte, wenn sie aus Tallahassee eintrafen. Sobald Needham und sechs der Studenten da waren, führte Raff sie zu den Ameisenhügeln rund um den Dead Owl Cove. Dann wanderten sie an der Westküste des Sees entlang und suchten nach weiteren Nestern. Sie fanden mehrere, aber nirgends lagen sie so dicht beieinander wie am Dead Owl Cove. Alle Studenten hatten Netze dabei und steckten Ameisen und andere Insektenarten in Tötungsgläser und Alkohollösungen, um sie später genauer untersuchen zu können.
    Auf dem Rückweg blieb Raff mit Needham noch eine Weile bei den Ameisenhügeln zurück, und sie beobachteten etwas ausführlicher, welche Aktivitäten auf ihrer Außenseite stattfanden. Dann fuhren sie alle gemeinsam zurück nach Tallahassee auf den Campus der Florida State University. Needham bat Raff, sich auf der Heimfahrt neben ihn zu setzen.
    «Ich habe einen Vorschlag für Sie, aber Sie sollten sich nicht verpflichtet fühlen, ihn anzunehmen, wenn es Sie nicht interessiert. Ich bin sicher, dass diese Ameisenart noch nie untersucht worden ist. Wenn Sie eine vollständige Untersuchung vornehmen wollen und das mit den Notizen verbinden, die Sie bereits angefertigt haben, glaube ich, dass das eine sehr gute Bachelor-Arbeit darstellen könnte. Und Sie könnten das relativ bequem durchführen, weil Sie so nah wohnen.»
    Raff nickte begeistert. «Yessir», sagte er.
    «Ich weiß, dass Sie noch weit vom Abschlussjahr entfernt sind», fuhr Needham fort, «aber glauben Sie mir, für eine gute Abschlussarbeit hat man nie zu viel Zeit.

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