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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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Gabeleichenbeständen, Sandhügel mit Gabeleichen und im Norden mit Laubwäldern bedeckte Blindtäler. Hielt man sich genWesten, stieß man auf ausgedehnte Auwälder an den Ufern der Flüsse, die in den Golf mündeten. Im Süden erwarteten einen einige der am besten erhaltenen küstennahen Feuchtbiotope der Südstaaten. Und direkt hinter dem Campus der FSU lag der herrliche Apalachicola National Forest, der einen Großteil der charakteristischen Lebensräume der zentralen Küstenebene umfasste.
    In seinen ersten Wochen an der FSU hetzte Raff von Empfängen zu Institutsführungen und Einführungskursen. Doch so schnell er es einrichten konnte, vereinbarte er auch ein Treffen mit mir.
    Auf die Minute genau klopfte es am vereinbarten Tag sachte an meiner Tür. Der Raphael Semmes Cody, der eintrat, war ein anderer als der, den ich kannte. Er bewegte sich steif und aufrecht, fast wie ein Soldat beim Rapport. Sein Handschlag war feucht. Dies war nicht länger das unbekümmerte Kind, das ich vom Nokobee kannte. Ganz offensichtlich ließ er sich von der Rolle einschüchtern, die ich in dieser neuen Umgebung innehatte.
    Da stand er und sagte stets «Yessir» hierzu und «Yessir» dazu, egal, was für einen Satz ich äußerte. So konnte es nicht weitergehen. Also nahm ich ihn in den Arm, deutete auf einen Stuhl für ihn und zog meinen zu ihm hinüber.
    «Willkommen an der Florida State University, Raff», sagte ich, so herzlich ich konnte. «Ich freue mich so, dass du hier bist. Das macht mich wirklich richtig froh.»
    Ich überhäufte ihn mit Fragen über seine Familie und seine ersten Eindrücke von der FSU, um zu seiner Entkrampfung beizutragen und ihm ein Gefühl der Sicherheit zu geben. Und ich beglückwünschte ihn zu seiner Zulassung zum Honors Program.
    «Oh», fügte ich hinzu, «ich hoffe, du kannst dir manchmal die Zeit nehmen, zu den Sondervorlesungen und Symposien zu kommen, die für dieses Jahr geplant sind. Es ist ganz egal, dass du gerade im ersten Semester bist. Du bist da wirklich willkommen. Natürlich nur, wenn du genug Zeit dafür hast, Raff.»
    Während unseres Gesprächs beobachtete ich ihn genau. Er war klein, etwa so groß wie Ainesley, vielleicht 1,75 Meter, aber etwas stämmiger als sein Vater, geschätzte 65 Kilo. Ich hatte gerade eine Biografie seines Namensvetters gelesen und wusste, dass er zufällig etwa von derselben Statur war wie Admiral Semmes. Sein Gesicht war schmal, eher nach Marcia geraten als nach Ainesley. Sein ordentlich gepflegtes Haar war frisch geschnitten, gebürstet und gescheitelt, wie ich es am Nokobee so gut wie nie erlebt hatte. Dass es hellbraun, ja fast blond war, lag vielleicht auch an der vielen Sommersonne in Florida.
    Angezogen war er, wie ich vermutete, mit seinen besten Kleidern: eine leichte dunkle Wollhose, ein sportliches lila Baumwollhemd und eine frisch gebügelte Leinenjacke. Letztere sollte ich später nie wieder zu Gesicht bekommen. Am Kragen steckte – und das gefiel mir – das kleine silberne Abzeichen des Eagle Scout. Er trug weißgraue Schuhe und dicke weiße Baumwollsocken. Abgesehen vielleicht von der Jacke und dem Anstecker würde er, so dachte ich, im Pulk der Studenten nicht auffallen, die draußen auf dem Universitätsplatz in einem kontinuierlichen Strom vorbeizogen. Und mit seinem jugendlichen Aussehen würde er auch in jede beliebige Highschool-Aula in Florida passen.
    Nach einer halben Stunde begann sich Raff endlich zu entspannen. Statt «Dr. Norville» verwendete er jetzt wiederden Ehrentitel «Onkel Fred» vom Nokobee. Da mir bewusst war, was er bereits alles an biologischem Grundwissen erworben hatte, glich unser Verhältnis schon bald nicht mehr dem zwischen Professor und Student, sondern dem zwischen einem älteren und einem jüngeren Kollegen.
    Bindungen unter Naturforschern werden, das muss man wissen, durch die Abenteuergeschichten geknüpft, die sich auf Exkursionen ereignen. Ohne Abenteuer keine Bindung. Ein guter Anknüpfungspunkt in der Golfküstenebene ist die dortige beeindruckende Vielfalt von Giftschlangen. Alle reden hier von Giftschlangen, und es ist, als hätte jeder, der im ländlichen Süden aufgewachsen ist, seine eigenen Abenteuer damit erlebt. Besonders für Biologen ist es ideal, wenn sie solche Abenteuer erzählen können, noch dazu wissenschaftliche Abenteuer. Wie Raff schon wusste, hatte ich zwei Bisse von Diamant-Klapperschlangen überlebt, war dem zweiten aber fast erlegen. Mein gruseliges Erlebnis stach sein

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