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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
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zu einem Deckel in und auf dem Nesteingang auf.
    Das Trailhead-Nest war jetzt ein versiegelter, unterirdischer Bunker. Die siegreiche Armee der Streamsider breitete sich über die Hügelfläche aus, und einige ihrer Kundschafterinnen erforschten auch schon das neu eroberte Land dahinter.
    Jetzt begann die Belagerung des Trailhead-Nests. Am nächsten und an den folgenden Tagen schlichen sich vereinzelt Trailheader heraus, um kurzfristig auf Futtersuche zu gehen – sie suchten nach jedem erdenklichen Happen, den die Patrouillen der Streamsider beim Durchkämmen des Geländes übersehen haben mochten. Sie wurden teils gefangen, teils getötet. Die übrigen zogen sich zu schnell wieder zurück, als dass sie etwas Essbares hätten auftreiben können.
    Nach einer Woche herrschte in der Kolonie Hungersnot. Die Ammen töteten und fraßen die letzten Larven und Puppen, ihre eigenen Geschwisterchen, und würgten den Nahrungsbrei für andere Erwachsene wieder herauf. Schließlich gab es keine Reserven mehr außer den schwindenden Fettablagerungen im Körper der bedrängten Überlebenden.
    Unermüdlich trieb die Streamside-Kolonie ihre Eroberung voran. Ihre Arbeiterinnen erforschten das neue Land an den Außengrenzen des ehemaligen Trailhead-Territoriums. Sie duldeten nicht die geringste verbleibende Spur der Trailhead-Kolonie. Wenn ihre Kundschafter erst denkürzlich verschlossenen Nesteingang fanden, würden sie einen Trupp zur Invasion ins Nestinnere zusammenrufen. Waren sie damit erfolgreich, so würde der Konflikt zwischen den beiden Kolonien schnell und endgültig zu Ende sein.
    Unter diesen Bedingungen konnte die Trailhead-Kolonie sich unmöglich längere Zeit verbergen. Die überlebende Population, die sich im Nest drängte, war zu groß, und der Geruch, den sie verströmte, zu stark. Die Territorial-Sekrete, die die Arbeiterinnen der Trailheader vor dem Krieg über die Nestoberfläche gelegt hatten, und zwar am dichtesten am Eingang, wiesen nun wie Verkehrsschilder den Weg zum Eingangstor. Die chemischen Signale, die einst heimkehrenden Arbeiterinnen als Wegweiser gedient und Eindringlinge abgeschreckt hatten, sollten nunmehr den endgültigen Niedergang der Trailheader besiegeln.
    Eine gänzlich andere Strategie als die unterlegenen Trailheader verfolgte ein anderer Nachbar, die demütige kleine Woodland-Kolonie, die sich in der Nähe verbarg. Diese Ameisen wohnten sogar noch näher an der Trailhead-Kolonie als die Streamside-Kolonie. Die Woodlander waren wegen der Rivalität zu den Trailheadern in ein kleines, verborgenes Nest zurückgedrängt geblieben. Sie konnten ihre Population nicht vergrößern und überlebten nur in der ständig drohenden Gefahr, entdeckt und niedergemacht zu werden.
    Als ihre eigene Population noch anwuchs, hatten die Trailheader dagegen einen großen Anteil ihrer Ressourcen in Verteidigung und Propaganda investiert. Sie hatten eine große Streitmacht aus Soldatinnen aufgestellt und sich selbst zur Abhaltung von Turnieren verpflichtet. Mitterritorialen Pheromonen machten sie Werbung für ihr Nest. Jetzt aber, bei ihrem Niedergang, wurde die frühere Stärke zu einem tödlichen Verhängnis.
    Die Woodlander überlebten, während die Trailheader untergingen. Sie waren zu wenige, um in der Oberliga der Ameisen mitzuspielen. Um überleben zu können, waren sie gezwungen gewesen, sich auf ihr verborgenes Nest und auf ihr unterwürfiges Auftreten bei der Futtersuche zu verlassen. Sie blieben unbeachtet, als bei den Nachbarn der Krieg wütete. Die Woodlander gingen nicht in den Kampf. Für sie gab es keine Notwendigkeit, zu siegen oder zu verlieren. Ihre Schwäche war zur Stärke geworden – zumindest im Moment.
    Während also die Woodlander durchhielten, stand das Ende der Trailhead-Kolonie bevor. Drei Wochen nach dem großen Sieg trafen Streamside-Kundschafterinnen am geschützten Eingang des Trailhead-Nests zusammen und starteten sofort den Angriff. Einige entfernten sich kurz, um mehr Soldatinnen an Ort und Stelle zu beordern. Der versammelte Trupp zog die Partikel fort, die die Verteidiger als Schutzschild hereingeschleppt hatten. Soldaten der Trailheader drangen aus dem Nest und versuchten in einer letzten verzweifelten Anstrengung den Eingang zu schützen. Im folgenden Tumult wurden auf beiden Seiten viele Kämpfer getötet oder verstümmelt. Schließlich aber begannen sich die geschwächten Trailheader zurückzuziehen. Nach und nach gaben die Arbeiterinnen den letzten Widerstand auf, wandten

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