Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E. O. Wilson
Vom Netzwerk:
Du hast das große Ganze aus dem Auge verloren. Also, keiner will dir wehtun, Scooter, aber ich stehe in dieser Sache nun mal wirklich auf der Seite von Drake Sunderland. Die Countys Nokobee und Jepson zählen zu den ärmsten in Alabama, und glaub mir, das heißt, sie sind
wirklich
arm.»
    «Yessir, das stimmt schon.» Raff nickte.
    «Die Wälder da oben sind doch hauptsächlich Gestrüpp, zu nichts nutze außer für Pressspan und Zellstoff, und für Wachteln und Truthähne wahrscheinlich, und Klapperschlangen. Ein paar Leute, wie zum Beispiel die Millbrooks aus Brewton, haben vor hundert Jahren ordentlich Geld gemacht, indem sie die Sumpfkiefer abgeholzt haben. Das ist jetzt lange her. Und die Gebiete sind ein bisschen weit weg von Mobile, da gibt es nicht so viel wirtschaftlichen Input. Dein Dad kann dir das sicher bestätigen, wenn er seinen eigenen Laden als Beispiel nimmt. Und ich erwarte auch, dass du alsCollege-Student jetzt selbst verstehst, dass sie da oben bessere Schulen brauchen. Wenn es mit der Erschließung des Nokobee richtig läuft, und davon gehe ich aus, dann wird die Gegend und ganz besonders Clayville einen wirtschaftlichen Sprung nach vorn machen. Jede Menge Leute von hier unten werden eine Immobilie in der Gegend von Clayville als gute Investition ansehen.»
    «Und warum sollten sie das?», fragte Raff. Er war wieder etwas munterer, weil er meinte, eine Schwachstelle in der Argumentation ausfindig gemacht zu haben. «Von Mobile und Pensacola ist es immer noch eine Ecke entfernt, und da unten und Richtung Golf gibt es doch schon jede Menge Naherholungsgebiete.»
    «Dein Problem, Scooter – das werfe ich dir nicht vor, weil du jung bist –, ist dein fehlender Weitblick. Jetzt ist der Nokobee abgelegen, sicher, und was man dort unternehmen kann, kann es nie mit den Angeboten aufnehmen, die wir hier um Mobile und rüber bis Pensacola haben. Das bleibt auch dann noch so, wenn die Wohngebiete und Anlegestellen am Nokobee fertig sind. Aber die Golfküste hier zieht immer mehr Leute an. Und das sind auch nicht nur Pächter von Baumwollfeldern. Die meisten sind gebildete, hart arbeitende Menschen mit ordentlichem Einkommen.»
    Raff versuchte, die Bresche, die er vermeintlich geschlagen hatte, auszuweiten. «Aber warum sollte der Zuzug von möglichst vielen Leuten so ein Gewinn sein?»
    «Schau mich an, Scooter. Willst du, dass Nokobee und Jepson ewig ein Paradies von Landeiern bleiben? Willst du das wirklich? Versteh doch, den Fortschritt an der Golfküste kann sowieso nichts aufhalten. Wir sind schon jetzt ein sehr wichtiger Teil des Sun Belts. Mobile undPensacola expandieren sehr stark, sogar mehr als der Durchschnitt der Gegend. Habe ich Recht?»
    Raff zögerte. Dann antwortete er, aber fast flüsternd. «Ja, wahrscheinlich, yessir.» Er wollte seinem Onkel nicht Recht geben, aber ihm fiel nichts Besseres ein, und er musste auf jeden Fall höflich bleiben.
    «Jetzt schau doch mal, wie es früher war, verglichen mit jetzt. Als Großvater klein war, war praktisch das gesamte Land südlich von Mobile unerschlossenes Wald- und Sumpfland. Man konnte den ganzen Weg vom Dog River hinunter bis an den Cedar Point fahren und traf nur ganz vereinzelt auf ein Haus. Das letzte Stück Straße war noch nicht einmal gepflastert. Und wenn man bis ganz runter an den Cedar Point fuhr, konnte man auf die Dauphin Island hinübersehen. Es war schön da, mit Stränden und dem alten Fort aus dem Bürgerkrieg am hinteren Ende, aber um da hinzukommen, musste man ein Boot leihen. Ein Großteil der Insel war einfach nur Brachland. Jetzt sind die Gebiete zwischen hier und Dauphin Island weitestgehend erschlossen. Da sitzt ein wesentliches Stück der Wirtschaftskraft von Alabama. Es gibt eine Brücke auf Dauphin Island, und in ein paar Minuten bist du drüben. Und, Scooter,
das
ist Fortschritt. Echter Fortschritt ist das. Findest du nicht?»
    Raff hatte das Duell mit dem Onkel verloren. «Yessir», sagte er, blickte auf seine Knie hinunter und dann wieder auf.
    Es überraschte ihn zu sehen, dass sein Onkel noch nicht fertig war. Er war jetzt sogar ziemlich erregt. Cyrus hatte seine Zigarre auf dem Aschenbecher ausgedrückt. Jetzt schob er die Brille wieder hinauf und wandte sich Raff zu.
    «Scooter, Amerika ist nicht groß geworden, indem es faul auf dem Hintern herumsaß. Das war Strapaze und harte Arbeit. Unser Nährboden war der Krieg, um es ganz offen zu sagen. Schau dir doch mal die amerikanische Geschichte an, und zwar

Weitere Kostenlose Bücher