Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes
so begeistert bist! Aber genau das brauche ich für meine künftige Ägyptensammlung – einen Fachmann, der die Kollektion pflegt und katalogisiert. Dann wird mich Mr. Emerson vielleicht auch nicht mehr verachten.«
»Verachten wird er Sie immer«, warf ich ein. »Und wenn Sie das nicht wollen, dann übergeben Sie Ihre Antiquitäten dem Britischen Museum, wo sie besser aufgehoben sind.«
»Nein, das werde ich bestimmt nicht tun«, widersprach er lachend. »Eher wird Mr. Emerson mir meinen Papyrus vorlesen. Er ist ziemlich gut. Natürlich krümelt er schon, und er ist mit diesem komischen Gekrakel bedeckt. Als ich ihn aufrollte …«
Emerson stöhnte. »Sie haben ihn aufgerollt?«
»Nur einen Teil, dann brach er ja auseinander. Deshalb dachte ich … Aber Mr. Emerson, Sie sind ja leichenblaß! Habe ich etwas Falsches gemacht?«
»Ein Mord wäre auch nicht schlimmer«, hielt ihm Emerson vor. »Sie haben wohl keine Ahnung davon, daß die Zahl alter Manuskripte beschränkt ist.«
»Nun ja, wenn Sie so großen Wert darauf legen, sollen Sie den Papyrus haben. Vielleicht kann ich mir damit die Zulassung zu Ihrer reizenden Gruppe erkaufen. Könnte ich mich jetzt hier umschauen? Ich möchte ein Grab für mich selbst aussuchen, wenn ich schon die Nacht über hier bleibe.«
Ich hatte mir inzwischen den Kopf zerbrochen, weshalb Emerson für kurze Zeit Lucas gegenüber fast liebenswürdig gewesen war. Nun fand ich zwei Gründe. Der erste war der, daß für jeden Ausgräber ein wohlhabender Patron ein ungeheurer Vorteil ist, und der zweite Grund konnte der sein, daß er Walter, seinen Bruder und getreuen Helfer, nicht gerne an Evelyn verlor, und so war es ihm angenehm, daß Lucas seine Base zu verehren schien. Diese beiden Vermutungen bestätigten sich dann auch.
Lucas fand das ganze Lager großartig und bestürmte Emerson mit Fragen, schüttelte den Kopf über Mohammeds Gemeinheit und den Aberglauben der Touristen und Dorfbewohner, drückte dem erstaunten Abdullah die Hand – und äußerte Zweifel über Michael.
»Sind Sie sicher, daß Sie ihm trauen können?« fragte er mich leise, als wir am Kochzelt vorbeikamen, wo Michael einen einfachen Imbiß vorbereitete. Er verrichtete alle Arbeiten, seit die Dorfbewohner uns im Stich gelassen hatten.
»Ich vertraue ihm uneingeschränkt«, antwortete Evelyn. »Amelia hat das Leben seines Kindes gerettet, und er würde für sie sterben.«
»Dann ist darüber nichts mehr zu sagen«, erwiderte er, redete aber dann doch noch eine ganze Menge; Michael sei ja ein Einheimischer und abergläubisch, und wie könne er seine unsterbliche Seele einem Dämon aussetzen?
»Lord Ellesmere, ich würde mir an Ihrer Stelle darüber keine Gedanken machen«, riet ihm Emerson kurz und trocken. Darauf schwieg Lucas dann auch.
Lucas wollte natürlich das größte Grab beziehen, das eines Mannes namens Mahu, der Polizeichef der Stadt gewesen war, doch man hätte Tage gebraucht, es zu säubern. So mußte er sich mit einem kleineren Grab zufriedengeben. Er schickte einen Diener zum Boot mit einer langen Liste von Gegenständen, die er in den nächsten zwei Tagen dringend brauchen würde.
Nach dem Mittagessen nahm mich Emerson beiseite. »Kommen Sie mit, Peabody«, forderte er mich auf. »Sie wollten doch ein Königsgrab sehen, und jetzt hätten wir gerade Zeit.«
»Wird Walter mitkommen?«
»Nein, Walter soll hierbleiben. Jemand muß doch aufpassen. Abdullah soll auf den Lord achtgeben, damit er sich kein Bein bricht oder vom Esel fällt. Aber beeilen Sie sich, sonst gehe ich allein.«
Drei Meilen weit marschierten wir durch ein wahrscheinlich seit Jahrtausenden ausgetrocknetes Tal, in dem kein Grashalm wuchs. Man fühlte sich als Eindringling in einer fremden Welt. Schließlich kamen dann die Fragen, mit denen ich gerechnet hatte. Emerson wollte einiges
über Lucas erfahren, vor allem über dessen Vermögen und sein Interesse an Evelyn. Mir waren diese Fragen zuwider, und ich wich ihnen damit aus, daß ich einen Streit heraufbeschwor, was bei Emerson sehr leicht ging. Wir marschierten also schweigend weiter.
Endlich erreichten wir einen ziemlich abgelegenen Platz in den Klippen; man hatte geglaubt, das Grab sei damit sicherer vor Räubern, doch die königliche Mumie war schon vor Jahrhunderten verschwunden.
Natürlich war Emerson nicht so voll atemloser Ehrfurcht wie ich, als wir, mit brennenden Kerzen ausgerüstet, endlich den ersten Gang betraten, der zur Grabkammer führte. Der
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