Amelia Peabody 01: Im Schatten des Todes
loshaben? Ich habe mich so darauf gefreut, mit dir alt zu werden, Wolle abzuwickeln, Katzen zu haben und einen Garten zu pflegen und … Aber, Amelia, warum weinst du? Nein, du darfst doch nicht weinen!«
Sie legte die Arme um mich, und wir weinten gemeinsam. Ich wußte gar nicht, weshalb ich weinte, aber irgendwie war es tröstlich. Also leistete ich mir den Luxus eines Gefühls.
»Ich liebe dich doch, Amelia«, schluchzte Evelyn. »Du
bist mir wie eine liebe Schwester. Deine Güte, dein Humor, deine himmlische Geduld …«
»Geduld, sagst du? Meine liebe Evelyn, Geduld habe ich keine, und mein Temperament ist teuflisch, und störrisch bin ich wie ein Muli. Aber weine nicht mehr, Liebes. Gott wird es schon recht machen für dich und mich. Es paßt mir ja manchmal gar nicht, was er über mich bestimmt, aber was immer auch geschieht, ich will nicht ruhen, bis du den Mann bekommst, den du verdienst. Hier, nimm das Taschentuch und trockne deine Augen. Aber dann gibst du’s mir zurück, ich brauche es auch.«
»Willst du mich behalten, damit ich Wolle abwickeln, Garten pflegen und Katzen haben kann, wenn du verheiratet bist?« fragte sie.
»Das ist die allerdümmste Frage, meine Liebe, die du je gestellt hast«, antwortete ich. »Und wir haben allerhand dummes Zeug geredet.«
8. Kapitel
Wir hatten frische Kleider an, als wir aus dem Grab kamen. Die Männer waren schon versammelt. Lucas hatte sich viele Sachen bringen lassen, als wolle er mitten in der Wüste einen Laden einrichten. Der Tisch war mit Blumen, Silberzeug und Kristall geschmückt. Emerson betrachtete mit einer Mischung aus Unverständnis und Abscheu die elegante Aufmachung. Und Lucas trug einen teuren, makellosen Anzug.
Er benahm sich, als sei er unser Gastgeber, auch dazu sagte Emerson nichts, sondern musterte nur seine mitgenommenen Stiefel. Seine Schulter mußte ihm noch schmerzen, sonst hätte er sicher einige bissige Bemerkungen gemacht.
Lucas servierte Sherry. »Halten Sie ein alkoholisches Getränk bei dieser Hitze nicht für unangebracht?« fragte ich. »Wir müssen heute abend doch frisch sein.«
»Oh, ein Schluck Whisky oder dergleichen schärft immer meine Sinne«, erwiderte Lucas, »und ich kann eine Menge vertragen.«
»Das meint jeder Trinker«, bemerkte Walter anzüglich.
»Du mußt ja deine ganze Dahabije mit Luxus vollgestopft haben«, warf Evelyn ein. »Dieser Luxus ist zwar schön, doch wir sind ihn hier nicht gewöhnt.«
»Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte mein Boot noch ganz andere Dinge mitgebracht, Evelyn. Deine Kisten
sind in Kairo angekommen. Ich wollte sie mitbringen, aber dieser alte Bär Baring hat sie mir nicht ausgehändigt.«
»Nein, wirklich?« sagte ich. »Er war mit meinem Vater befreundet.«
»Das weiß ich. Die Kisten waren auch an Sie adressiert, weil der Konsul in Rom keine andere Adresse für Evelyn hatte. Baring bewacht sie wie ein Kettenhund. Ich erklärte ihm meine Beziehung zu Evelyn, doch er ließ sich nicht erweichen.«
»Vielleicht ist Ihr Ruf Ihnen vorausgeeilt«, bemerkte ich milde. Leider war es unmöglich, Lucas zu beleidigen, denn er lachte und erklärte, er sei mit einem jungen Verwandten Barings auf der Universität gewesen, und der habe wohl etwas zuviel erzählt.
»Aber«, wandte er sich an Evelyn, »eines Tages wirst du sowieso bekommen, was dir zusteht, und ich werde dich überreden, es anzunehmen. Doch alle Schätze der Pharaonen könnten dir nicht das geben, was du verdienst.«
Der arme Walter war eifersüchtig, Evelyn verlegen, nur Emerson schien ungerührt zu sein. »Peabody, ich würde vorschlagen, daß Sie uns sagen, was wir heute für unsere abendliche Unterhaltung zu tun haben«, forderte er mich auf.
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, antwortete ich. »Evelyn sollte, meine ich, die kleine Prinzessin aus dem königlichen Grab kopieren. Das wäre wundervoll. Nein, nicht unbedingt heute«, schnitt ich Lucas’ Einwand ab. »Irgendwann. Sie scheinen gar nicht zu ahnen, welch große Künstlerin in Evelyn steckt. Sie hat das jetzt vernichtete Pflaster kopiert.«
Lucas wollte die Kopien unbedingt sehen und lobte sie über alle Maßen, und nun überreichte er Emerson auch das versprochene Pergament. Er hatte es zwischen zwei
Glasscheiben legen lassen und in einem flachen, geschnitzten Holzbehälter aufgehoben. Für diese Umsicht sprach ihm Emerson sogar ein widerwilliges Lob aus.
Es schien ein ziemlich gut erhaltenes Exemplar zu sein, war altersbraun und
Weitere Kostenlose Bücher