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Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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zusah, wie Emerson in seinen schleppenden Gewändern umhereilte. Ich hatte schon befürchtet, Madame Berengeria würde der Versuchung nicht widerstehen können, sich in den Vordergrund zu drängen, doch sie setzte sich schweigend und verschränkte die Arme vor der Brust wie ein Pharao mit einem Zwillingszepter. Allmählich erstarben die Flammen, und im Dämmerlicht war Madames bizarre Aufmachung um einiges wirkungsvoller als im hell erleuchteten Hotel. Ich betrachtete ihre ernsten und unansehnlichen Gesichtszüge, und auf einmal wurde mir unbehaglich. Hatte ich diese Frau doch unterschätzt?
    Mit einem lauten Räuspern rief Emerson uns zur Ruhe. Bei seinem Anblick wurde mein Herz von liebevollem Stolz ergriffen. Die Hände hatte er wie ein chinesischer Mandarin in die weiten Ärmel geschoben, die lächerliche Kappe thronte auf seinem dichten schwarzen Schopf. Emersons beeindruckende Gestalt verlieh sogar diesem albernen Kostüm einen würdigen Anstrich, und als er zu sprechen begann, war niemandem auch nur im geringsten zum Lachen zumute.
    Er sprach Englisch und Arabisch und übersetzte Satz für Satz. Daß er sich dabei Zeit ließ, erhöhte eher noch die theatralische Wirkung, statt die Zuhörer ungeduldig zu machen. Er spottete über die Feigheit der Männer aus Gurneh und lobte den Mut und die Klugheit seiner eigenen Leute, wobei er ihren jüngsten Ausrutscher taktvoll verschwieg.
    Dann erhob sich seine Stimme zu einem Schrei, der das Publikum auffahren ließ.
    »Ich werde das nicht länger dulden! Ich bin der Vater der Flüche, der Mann, der sich noch vorwagt, wenn andere längst vor Furcht erschaudern; der Mann, der gegen die Dämonen kämpft. Ihr kennt mich, und ihr kennt meinen Namen! Spreche ich die Wahrheit?«
    Er hielt inne. Leises Getuschel war die Antwort auf diese eigenartige Mischung aus altertümlichen Floskeln und moderner arabischer Angeberei. Emerson fuhr fort.
    »Ich kenne eure Herzen! Ich weiß, wer die Übeltäter unter euch sind! Glaubt ihr, ihr könnt der Rache des Vaters der Flüche entrinnen? Nein! Meine Augen sehen in der Dunkelheit der Nacht, meine Ohren hören die Worte, die ihr denkt, aber nicht aussprecht!«
    Rasch lief er auf und ab und vollführte geheimnisvolle Armbewegungen. Jedesmal, wenn seine Schritte ihn näher an die gebannt zusehende Menge brachten, wichen die in der ersten Reihe zurück. Plötzlich blieb er reglos stehen. Einen Arm hatte er erhoben; sein ausgestreckter Zeigefinger zitterte. Eine fast sichtbare Kraft strömte aus diesem emporgereckten Finger. Emerson stürzte nach vorne und warf sich in die Menge. Die blauen und weißen Gewänder wallten wie Wogen im Ozean. Als Emerson wieder aus dem Menschenmeer auftauchte, schleppte er einen Mann hinter sich her – einen Mann, dessen einziges Auge im Schein des Feuers wild funkelte.
    »Hier ist er«, donnerte Emerson. »Mein Auge, das alles sieht, hat ihn entdeckt, als er versuchte, sich hinter Menschen zu verstecken, denen er nicht das Wasser reichen könnte.«
    Die Felsen warfen seine Worte als grollendes Echo zurück. Dann wandte sich Emerson dem Mann zu, den er am Hals gepackt hielt.
    »Habib ibn Mohammed«, sagte er. »Dreimal schon hast du versucht, mich zu töten. Schakal, Kindesmörder, Aasfresser – welcher Teufel hat dich geritten, daß du gewagt hast, mich zu bedrohen?«
    Ich bezweifle, daß Habib eine Entgegnung hätte hervorbringen können, die dieser wortgewandten Frage würdig gewesen wäre, selbst wenn er die Möglichkeit zum Sprechen gehabt hätte. Emerson, der sich wieder dem Kreis der gebannten Zuschauer zuwandte, rief: »Brüder! Welche Strafe sieht der Koran, das Wort des Propheten, für einen Mörder vor?«
    »Den Tod!« kam die Antwort, die von den Klippen widerhallte.
    »Bring ihn fort«, sagte Emerson und stieß Habib in Feisals wartende Arme.
    Ein Seufzer der reinsten Freude entrang sich Hunderten von Kehlen. Niemand genießt eine gute Theatervorführung mehr als ein Araber – erst vor einigen Jahren waren die Bewohner Luxors gebannt einer Inszenierung von Romeo und Julia (in Englisch) gefolgt, und das hier war noch viel unterhaltsamer. Noch ehe sie sich ihren Freunden zuwenden und die Aufführung lebhaft erörtern konnten, sprach Emerson weiter.
    »Habib ist nicht der einzige Übeltäter unter uns«, rief er.
    Hie und da waren wieder hastige Wellenbewegungen wahrzunehmen, als gewisse Zuschauer im Publikum eilig in die schützende Dunkelheit entschwanden. Emerson vollführte eine verächtliche

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