Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
»Trinken Sie eine Tasse Tee und ruhen Sie sich aus, ehe wir wieder hinuntergehen. Irgendwelche Ergebnisse, meine Herren?«
Wieder verweise ich den Leser auf die einschlägigen Veröffentlichungen, die in Kürze erscheinen werden. Wir führten ein angeregtes und äußerst erbauliches Fachgespräch. Auch Mary schien Gefallen daran zu finden; ihre schüchternen Fragen waren sehr vernünftig. Offensichtlich widerstrebend stand sie schließlich auf und verkündete, daß sie gehen müsse.
»Darf ich Miss Mary begleiten?« fragte Karl. »Es ist nicht richtig, daß sie allein umherläuft …«
»Ich brauche Sie hier«, meinte Emerson geistesabwesend.
»Ich werde die Dame begleiten«, sagte O’Connell. »Außer, Professor, die Sache, über die wir letzte Nacht gesprochen haben, steht kurz bevor.«
»Wovon redet er?« fragte Emerson mich.
»Sie müssen sich doch erinnern«, beharrte O’Connell. »Die Nachricht – der Beweis, der … äh …«
»Nachricht? Ach, ja. Warum können Sie sich nicht klar ausdrücken, junger Mann, anstatt so gräßlich geheimnisvoll herumzureden? Es muß an Ihrem Beruf liegen, dieses ständige Herumschleichen und Spionieren. Wie ich Ihnen, wenn ich mich recht erinnere, bereits gesagt habe, wird der Bote wahrscheinlich nicht vor morgen früh eintreffen. Also laufen Sie schon los.«
Dann nahm Emerson mich beiseite. »Amelia, ich möchte, daß du ebenfalls zum Haus zurückgehst.«
»Warum?«
»Die Angelegenheit steuert auf den Höhepunkt zu. Milverton – verdammt, ich meine, der junge Baskerville – ist möglicherweise noch nicht außer Gefahr. Hab ein Auge auf ihn. Und sorge dafür, daß jeder weiß, daß ich die entscheidende Nachricht morgen erwarte.«
Ich verschränkte die Arme und sah ihn unverwandt an. »Wirst du mich in deine Pläne einweihen, Emerson?«
»Aber, Amelia, du kennst sie doch sicher schon.«
»Keinem vernünftig denkenden Menschen ist es möglich, den eigenartigen geistigen Verirrungen zu folgen, die das männliche Geschlecht mit Logik verwechselt«, erwiderte ich. »Trotzdem deckt sich die von dir vorgeschlagene Vorgehensweise zufällig mit meinen eigenen Plänen. Deshalb werde ich tun, was du verlangst.«
»Vielen Dank«, sagte Emerson.
»Bitte, gern geschehen«, antwortete ich.
Mary und Mr. O’Connell waren in Vandergelts Kutsche davongefahren. Ich nahm den Pfad über die Hügel und erreichte deshalb zuerst das Haus. Obwohl es mir inzwischen zur lieben Gewohnheit geworden war, durch das Fenster meines Schlafzimmers zu klettern, beschloß ich, bei dieser Gelegenheit das Haus, wie es sich gehörte, durch das Tor zu betreten. Ich wollte, daß meine Anwesenheit bemerkt wurde.
Als ich den Hof betrat, kam Lady Baskerville aus ihrem Zimmer. Sie begrüßte mich ungewöhnlich freundlich. »Ach, Mrs. Emerson. Wieder ein hartes Tagewerk vollbracht? Gibt es irgendwelche Neuigkeiten?«
»Nur archäologischer Natur«, antwortete ich. »Aber das wird Sie vermutlich nicht interessieren.«
»Früher einmal. Was meinen Gatten begeisterte, begeisterte auch mich. Er sprach ständig darüber. Aber kann man mir jetzt einen Vorwurf daraus machen, daß über diesem ganzen Thema für mich der Schatten unglückseliger Erinnerungen liegt?«
»Wahrscheinlich nicht. Hoffen wir trotzdem, daß diese Erinnerungen mit der Zeit verblassen. Es ist sehr unwahrscheinlich, daß Mr. Vandergelt sein Engagement für die Ägyptologie jemals aufgeben wird, und er wird wollen, daß seine Gattin es mit ihm teilt.«
»Selbstverständlich«, meinte Lady Baskerville.
»War Ihre Fahrt nach Luxor erfolgreich?« fragte ich.
Die finsteren Züge der Dame erhellten sich. »Ja, die Vorbereitungen sind in die Wege geleitet. Und ich habe einiges auftreiben können, was angesichts der Umstände gar nicht so schlecht ist. Kommen Sie mit in mein Zimmer, damit ich Ihnen meine Einkäufe zeigen kann. Die Hälfte des Vergnügens an neuen Kleidern liegt darin, sie einer anderen Frau vorzuführen.«
Ich wollte schon ablehnen, aber Lady Baskervilles plötzliche Freude an meiner Gesellschaft kam mir in höchstem Maße verdächtig vor. Also beschloß ich, sie zu begleiten, um ihre wahren Motive herauszufinden.
Ich glaubte, eines der Motive zu verstehen, als ich die Unordnung in ihrem Zimmer sah. Überall lagen Kleidungsstücke herum, die sie aus ihren Schachteln genommen hatte. Ganz automatisch fing ich an, sie auszuschütteln und ordentlich zusammenzufalten.
»Wo ist Atiyah?« fragte ich. »Eigentlich wäre das doch
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