Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes
Augen.
Madame Berengeria hielt inne, doch nur, weil alles gesagt war, was sie hatte loswerden wollen. Um ihren bösen kleinen Mund spielte ein selbstzufriedenes Grinsen.
»Es tut mir leid, Mutter«, sagte Mary. »Ich möchte nicht ungezogen sein, aber …«
»Ich vergebe dir«, erwiderte Madame.
»Aber du darfst nicht so reden. Du mußt sofort nach Hause gehen.«
Einer der Träger verstand Englisch. Er ließ einen Aufschrei los und redete in arabisch erregt auf Mary ein. Obgleich seine Tirade mit Flüchen und Klagen gespickt war, war der Kernpunkt sehr einfach. Er habe Rückenschmerzen, seine Freunde hätten Rückenschmerzen; sie könnten die Dame keinen Schritt weiter tragen.
Emerson löste mittels Drohungen und Bestechung das Problem. Nachdem sie den Preis hoch genug getrieben hatten, stellten die Männer auf einmal fest, daß ihre Rückenschmerzen plötzlich verflogen waren. Ohne Umschweife packten wir Madame Berengeria in die Sänfte, wobei wir sie daran hindern mußten, Emerson zu umarmen, den sie liebevoll als Ramses den Großen, ihren Liebhaber und Gatten, titulierte. Mit einem mitleiderregenden Stöhnen machten sich die Männer daran, die Sänfte hochzustemmen. Da erschien zwischen den Vorhängen noch einmal der zerzauste Kopf von Madame. Sie streckte einen Arm heraus und versetzte dem nächstbesten Träger einen Schubs.
»Zum Haus von Lord Baskerville«, sagte sie.
»Nein, Mutter!« rief Mary aus. »Lady Baskerville will nicht … Es wäre unhöflich, sie aufzusuchen, ohne eingeladen zu sein.«
»Ein Liebesdienst bedarf keiner Einladung«, lautete die Antwort. »Ich gehe, den Mantel meines Schutzes über dieses Haus des Blutes zu breiten. Durch Gebet und Meditation werde ich die Gefahr bannen.« Dann, mit einem plötzlichen Wechsel in ihrem pathetischen Ton, fügte sie hinzu: »Ich habe auch deine Sachen mitgebracht, Mary. Du brauchst heute abend nicht mehr nach Luxor zurückzukehren.«
»Du meinst … du meinst, du willst dort bleiben?« Mary rang nach Luft. »Mutter, du kannst doch nicht …«
»Ich habe nicht die Absicht, eine weitere Nacht in jenem Haus zu verbringen, wo ich gestern in meinem Bett fast ermordet wurde.«
»Warum bannen Sie die Gefahr nicht durch Gebet und Meditation?« wollte ich wissen.
Madame Berengeria funkelte mich böse an. »Sie sind nicht die Herrin in Baskerville House. Lady Baskerville selbst soll mich abweisen, wenn sie es kann.« Erneut versetzte sie dem Träger einen Schubs. »Geht – jetzt – Baskerville House.«
»Ist ja auch gleichgültig«, sagte ich leise zu Emerson. »Wenn sie tatsächlich dort einzieht, können wir ein Auge auf sie haben.«
»Was für eine entsetzliche Vorstellung«, meinte Emerson. »Wirklich, Amelia, ich glaube nicht, daß Lady Baskerville …«
»Dann halte sie auf. Ich weiß nicht, wie du das anstellen willst, es sei denn, du fesselst und knebelst sie. Doch wenn du diesen Wunsch verspüren solltest …«
»Ach was!« Emerson verschränkte die Arme. »Ich halte mich aus der ganzen Angelegenheit raus.«
Mary, die vor Scham fast in den Boden versank, hatte es ebenfalls aufgegeben, zu widersprechen. Als Madame Berengeria begriff, daß sie gewonnen hatte, verzog sich ihr Gesicht zu einem verkniffenen krötengleichen Grinsen. Die Prozession machte sich wieder auf den Weg; Mr. O’Connell blieb zurück und stand herum wie ein begossener Pudel.
Emerson platzte fast vor Wut, als er sich zu dem jungen Mann umwandte, doch noch ehe er etwas sagen konnte, kam Mary ihm zuvor.
»Was haben Sie sich dabei gedacht, Kevin? Wie konnten Sie sie auch noch dazu ermutigen?«
»Ach, meine Liebe, ich habe ja alles versucht, sie davon abzuhalten, das ist die Wahrheit. Was hätte ich denn sonst tun sollen, als mitzukommen, um sie zu schützen, falls sie in Schwierigkeiten gerät? Sie glauben mir doch, Mary?«
Er versuchte, sie bei der Hand zu nehmen. Sie verweigerte sie ihm mit einer Geste unbeschreiblicher Verachtung. Tränen des Kummers glänzten in ihren Augen. Sie drehte sich rasch um und ging zum Grab zurück.
In Mr. O’Connells sommersprossigem Gesicht war Enttäuschung zu lesen. Karl und Milverton hatten einen selbstzufriedenen Ausdruck im Gesicht. Gleichzeitig machten sie kehrt und folgten Mary.
O’Connell sah mich an. Er zuckte mit den Schultern und versuchte zu lächeln. »Verschonen Sie mich mit Ihren Kommentaren, Mrs. Emerson. Ich werde bald wieder in ihrer Gunst stehen, keine Sorge.«
»Wenn auch nur ein Wort über diesen Vorfall in
Weitere Kostenlose Bücher