Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes

Titel: Amelia Peabody 02: Der Fluch des Pharaonengrabes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
Vom Netzwerk:
dämmerte. Hätte er seinen Satz mit jenem Wort beendet oder ihn in bedrücktem Schweigen und Ungewißheit ausklingen lassen, wäre ich wohl davon ausgegangen, daß er auf seine untergeordnete Position, seine Jugend und seinen Mangel an finanzieller Sicherheit anspielte. Mit meinen detektivischen Instinkten – Folge natürlicher Begabung wie auch meiner gewiß nicht unbeträchtlichen Erfahrung – folgerte ich jedoch sofort, was es mit diesem Seufzer in Wirklichkeit für eine Bewandtnis hatte. Im tröstlichen Schutz der Dunkelheit und unter dem beruhigenden Einfluß weiblicher Anteilnahme hatte seine Wachsamkeit nachgelassen. Er stand kurz davor, ein Geständnis abzulegen!
    Der detektivische Instinkt drängt, wenn er voll erwacht, unbarmherzig alle zarteren Gefühle in den Hintergrund. Obgleich es mir unangenehm ist, muß ich zugeben, daß meine folgenden Worte nicht von Anteilnahme, sondern von Arglist bestimmt waren. Ich war entschlossen, seinen Schutzwall zu durchbrechen und ihm ein Geständnis zu entlocken.
    »Ihre Lage ist schwierig«, sagte ich. »Doch ich weiß, daß Mary zu Ihnen halten wird, wenn sie Sie liebt. Jede richtige Frau würde das tun.«
    »Würde sie das? Würden Sie das?« Noch bevor ich antworten konnte, wandte er sich mir zu und packte mich bei den Schultern.
    Ich gestehe, daß ein leichter Argwohn meinen detektivischen Eifer dämpfte. Inzwischen war es völlig dunkel, und Milvertons hochgewachsene Gestalt ragte vor mir auf wie ein gespenstisches Geschöpf der Nacht. Ich spürte seinen heißen Atem auf meinem Gesicht und fühlte, wie sich seine Finger schmerzhaft in mein Fleisch gruben. Mir kam der Gedanke, daß ich möglicherweise einem kleinen Trugschluß erlegen war.
    Noch ehe ich mich hinreißen ließ, etwas so Dummes zu tun wie um Hilfe zu rufen oder mit meinem Sonnenschirm auf Mr. Milverton einzuschlagen, erhellte ein silbriges Licht die Dunkelheit; der Mond, nahezu voll gerundet, erhob sich über den Klippen. Ich hatte vergessen, daß dieses Ereignis zwangsläufig eintreten mußte, denn in Luxor ist der Himmel fast nie bewölkt. In diesen südlichen Gefilden ist das Licht des Mondes so klar und rein, daß man bei seinem Schein ein Buch lesen könnte; doch wer würde schon seinen Blick auf ein lebloses Blatt Papier heften, wenn eine zauberhafte Landschaft aus Schatten und Silber vor einem liegt? Mondschein im alten Theben! Oft schon und aus gutem Grund ist das Stoff für literarische Meisterwerke gewesen!
    Meine unbeholfene Feder, geleitet von einem Verstand, der mehr für kühle Vernunft als für Poesie empfänglich ist, (doch dürfen Sie nicht glauben, die Poesie ließe ihn gänzlich unberührt) … meine unbeholfene Feder, wollte ich sagen, wird nicht versuchen, sich mit den Ergüssen begnadeterer Autoren zu messen. Um deshalb wieder zur Sache zu kommen: Dank des Lichts konnte ich Mr. Milverton, der mich aus nächster Nähe anstarrte, ins Gesicht blicken. Gehörig erleichtert stellte ich fest, daß auf seinen schönen Zügen ein ängstlicher und bekümmerter Ausdruck lag, jedoch keine Spur von Wahnsinn, wie ich befürchtet hatte.
    Eben dieses Licht erlaubte es ihm, mein Gesicht zu sehen, das wohl mein Unbehagen verriet. Sogleich ließ er von mir ab.
    »Vergeben Sie mir. Ich … ich bin nicht ganz bei mir, Mrs. Emerson, wirklich, ich bin nicht ganz bei mir. Ich glaube, in diesen letzten Wochen muß ich mich wie ein Verrückter aufgeführt haben. So kann es nicht weitergehen. Ich muß reden. Darf ich Ihnen mein Herz ausschütten? Kann ich Ihnen vertrauen?«
    »Das können Sie!« rief ich.
    Der junge Mann holte tief Luft, richtete sich zu voller Größe auf und reckte die Schultern. Er hob an zu sprechen.
    Just in diesem Augenblick hallte ein langgezogener Schrei durch die Steinwüste. Eine Sekunde lang glaubte ich schon, Mr. Milverton hätte aufgeheult wie ein Werwolf. Doch er war ebenso verblüfft wie ich; und auf einmal begriff ich, daß die besonderen akustischen Gegebenheiten in diesem Gelände einen Laut zu uns hinübergetragen hatten, dessen Quelle in einiger Entfernung lag, so daß der Eindruck entstand, er komme ganz aus der Nähe. Der Mond war inzwischen ganz aufgegangen, und als ich mich nach dem Ursprung dieses unheimlichen Schreis umblickte, bot sich mir ein beängstigender Anblick.
    Quer über die Ebene kam Emerson herangestürmt, wobei er im Sprung über Felsbrocken und Gesteinsspalten setzte. Seine rasende Gestalt, die eine silbrig glänzende Staubwolke hinter sich

Weitere Kostenlose Bücher