Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
war noch da«, sagte ich. »Nur gut, daß wir es auf eigene Faust gewagt haben!«
»Ich werde ef ihr fon beibringen«, sagte Ramses. »Wenn ich gewuft hätte, daf ich darauf angewiefen fein würde, hätte ich eher mit dem Training begonnen.«
»Wir haben noch einen Weg von ungefähr drei Meilen vor uns«, mahnte Emerson. »Laßt uns aufbrechen.«
»Bist du nicht völlig kaputt, mein lieber Emerson? Menyat Dahschûr ist näher. Wir könnten de Morgan um Esel bitten.«
»Sehe ich so aus, Peabody? Aber vielleicht solltest du hingehen, du zitterst ja.«
»Kommt nicht in Frage. Wo du hingehst …«
»Ich wußte, daß du das sagen würdest!« sagte Emerson, und sein Lächeln grub feine Rillen in sein sandverkrustetes Gesicht. »Laß die Katze laufen, Ramses. Papa wird dich tragen.«
Beim Laufen kehrte wieder Wärme in unsere steifgewordenen, geschundenen Knochen zurück, und wir fühlten uns gleich besser. Wir vereinbarten, morgen früh mit einigen unserer Männer und etlichen Waffen (meine Pistole dürfte im Schlamm unbrauchbar geworden sein) ganz zeitig ins Dorf zu gehen, um unseren großen Unbekannten zu verhaften.
»Wir müssen ihn überraschen«, sagte ich. »Er ist verzweifelt und möglicherweise bewaffnet.«
»He?« fragte Emerson. »Demnach ist Miß Charity nicht mehr im Rennen?«
Ich hatte mittlerweile genug Zeit gehabt, meine voreiligen Schlüsse zu überdenken. »Wir haben das Gesicht dieses Menschen nie gesehen. Jeder junge Mann hätte uns täuschen können. Außerdem kenne ich Charitys Handschrift nicht, so daß ich nicht einmal behaupten kann, daß sie die Nachricht geschrieben hat.«
»Wer dann?«
»Entweder Bruder Ezekiel oder Bruder David.«
»Welchen bevorzugst du?« fragte Emerson.
Wir standen so kurz vor der Auflösung des Falles, daß längeres Schweigen albern gewesen wäre. »Bruder Ezekiel natürlich!«
»Ich bin nicht einverstanden. Ich tippe auf Bruder David.«
»Kannst du das begründen, Emerson?«
»Noch nicht, Peabody. Ich muß noch ein oder zwei fragliche Punkte klären. Und wie steht es mit dir, Peabody?«
»Ich muß auch noch über einige Dinge nachdenken, Emerson.«
Damit endete die Diskussion, und wir setzten unseren Weg schweigend fort. Wir waren nicht mehr weit vom Haus entfernt, als Emerson plötzlich stehenblieb. »Ramses«, fragte er leise. »Hattest du Licht in deinem Zimmer?«
»Nein, Papa.«
»Wir hatten es auch gelöscht. Aber schaut euch das an!«
Zwei helle Vierecke leuchteten weithin über den Sand. Emerson zog mich zu Boden, und Ramses kletterte von seiner Schulter und kauerte sich neben uns.
»Vielleicht sucht John nach Ramses«, sagte ich.
»In absoluter Stille? Wo ist Abdullah? Dort … neben der Tür. Er sieht aus, als ob er schläft!«
Ich reckte mich ein wenig, um besser sehen zu können, aber Emerson zog mich wieder herunter. Aus der Ecke der ehemaligen Kirche kam eine dunkle Gestalt, schlich von Schatten zu Schatten, am schlafenden Abdullah vorbei, und verschwand im Haus.
Auf Händen und Füßen krochen wir vorwärts. Die zusammengekrümmte Gestalt war tatsächlich Abdullah. Emerson schüttelte ihn sanft, und mit grenzenloser Erleichterung hörte ich ihn sagen: »Betäubt. Ich kann das Haschisch riechen!«
Flüsternd fragte ich: »Meinst du, daß alle unsere Männer in einer solchen Verfassung sind?«
»Wahrscheinlich«, gab Emerson zurück. »Gib mir deine Pistole!«
»Aber schießen kannst du nicht. Der Schlamm …«
»Ich weiß, aber ich kann damit bluffen. Willst du hierbleiben?«
»Nein, Emerson, ganz und gar nicht.«
»Dann muß Ramses aufpassen«, sagte Emerson. Dann wandte er sich an den Jungen. »Wenn es Mama und Papa nicht gelingt, die Eindringlinge zu überwältigen, mußt du Hilfe herbeiholen.«
»Aber, Papa …«
Meine Nerven waren etwas angespannt. Ich packte Ramses an den Schultern und schüttelte ihn, bis seine Zähne klapperten. »Du hast gehört, was dein Papa gesagt hat. Warte fünfzehn Minuten. Wenn wir bis dahin nicht zurück sind, läufst du schnellstens nach Dahschûr. Und wenn du jetzt noch irgend etwas sagst, haue ich dich!«
Ramses war sehr beeindruckt. »Ja, Mama.«
»Wirklich, Peabody! Mußt du immer so unfreundlich sein?« fragte Emerson. »Heute nacht hat er doch wirklich bewiesen, daß er große Fähigkeiten hat. Ein bißchen Anerkennung …«
»Die bekommt er schon zu gegebener Zeit. Ramses weiß, daß ich nicht sehr gefühlsbetont bin, und er erwartet es auch nicht. Laß uns nicht noch mehr Zeit
Weitere Kostenlose Bücher