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Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein

Titel: Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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über die Anwesenheit der Missionare verflogen war.
     
    Kurze Zeit später trafen die ersten Männer aus dem Dorf ein. Offenbar war der Priester bereit, seine Versprechungen einzuhalten. Er hatte uns Zimmerleute, Ziegelhersteller und Maurer geschickt, die als erstes der großen Geisteraustreibung beiwohnen mußten. Emerson gab es zwar nicht zu, aber er genoß Auftritte vor großem Publikum und lieferte an diesem Tag wirklich eine unübertreffliche Schau, indem er singend und rezitierend durch alle Räume lief. Seine Zuhörer fühlten sich anschließend befreit und gingen mit solchem Eifer an die Arbeit, daß ich mir berechtigte Hoffnungen machen konnte, bis zum Abend die wichtigsten Dinge unter Dach und Fach zu haben.
    Die Männer von Aziyeh hielten sich abseits, denn abgesehen von den beruflichen und religiösen Unterschieden zu Abdullahs Männern, wurden Menschen in dieser Gegend aus nicht weit entfernten Orten bereits als Fremde angesehen. Ich wußte, daß wir trotz der Verschiedenartigkeit der Männer kaum Schwierigkeiten bekommen würden, denn Abdullah war ein ausgezeichneter Vorarbeiter, und unter seinen Männern waren nicht weniger als vier seiner Söhne. Der älteste war der bereits ergraute Freisal und der jüngste der vierzehn Jahre alte Selim. Offenbar war er der Liebling seines Vaters, hatte gute Manieren und ein ansteckendes, übermütiges Lachen. Obwohl er für ägyptische Verhältnisse bereits erwachsen war und bald eine Frau heiraten würde, schloß er doch sofort Freundschaft mit Ramses.
    Nachdem ich den jungen Mann einige Zeit beobachtet hatte und mir nichts Nachteiliges aufgefallen war, beschloß ich, ihn ganz offiziell zum Begleiter unseres Sohnes zu machen. John war mit dieser Rolle etwas überfordert, denn er war zu kleinlich und hinderte Ramses beispielsweise am Graben, weshalb wir ja eigentlich gekommen waren. Er würde sicher an anderer Stelle nützlicher sein, denn er hatte erstaunlich rasch Arabisch gelernt und bewegte sich unter den Leuten ohne die geringsten Vorurteile. Während ich den Sand im ehemaligen Refektorium, das wir zum Wohnraum ernannt hatten, zusammenfegte, hörte ich, wie John draußen mit den Arbeitern redete und sie sich köstlich über seine Fehler amüsierten.
    Als ich später aus dem Haus trat, um nach dem Fortgang der Dachdeckerarbeiten zu schauen, bemerkte ich eine kleine Gruppe, die sich unserer Unterkunft näherte. Vorneweg ritten zwei Männer auf Eseln. Der erste war ohne Zweifel Mr. Cabot. Der andere trug das gleiche schwarze Gewand und dazu einen Strohhut. Erst als die Gruppe näher gekommen war, erkannte ich, daß die dritte Person eine Frau war, die, wie ich sofort mitleidig feststellte, ein dunkelblaues, hochgeschlossenes Kleid mit langen Ärmeln trug und deren Haar unter einer ultramodischen Haube versteckt war, daß man weder ihre Haarfarbe noch ihr Alter schätzen konnte. Der Rock ihres Kleides war so weit, daß der Esel darunter fast völlig verschwunden war und nur noch Kopf und Schwanz hervorsahen.
    Mr. Cabot stieg als erster ab. »Hier sind wir«, rief er.
    »Das sehe ich«, antwortete ich und dankte Gott, daß ich Emerson und Ramses fortgeschickt hatte, um den Grabungsplatz in Augenschein zu nehmen.
    »Ich habe die große Ehre«, fuhr Mr. Cabot fort, »Ihnen meinen verehrten Mentor, Reverend Ezekiel Jones, vorzustellen.«
    Es war mir rätselhaft, weshalb Mr. Cabot in so unterwürfigem Ton sprach, denn an diesem mittelgroßen, dicklichen Mann, der seine groben Gesichtszüge besser hinter einem Rauschebart hätte verstecken sollen, war absolut nichts Erhebendes. Er stieg ungeschickt von seinem Esel.
    »Guten Tag, Madam«, sagte er, und ich war überrascht, wie volltönend und melodisch seine Stimme klang. Der Akzent des Cellos war allerdings eindeutig amerikanisch. »Ich dachte, Sie könnten Hilfe gebrauchen. Dies ist meine Schwester Charity.«
    Nachdem die Frau abgestiegen war, packte ihr Bruder sie an der Schulter und schob sie zu mir hin, wie man eine Ware anbietet. »Sie kann hart arbeiten«, sagte er. »Sagen Sie ihr, was sie tun soll!«
    Entrüstet über dieses Benehmen, reichte ich der jungen Dame die Hand. »Guten Tag, Miß Jones!«
    »Wir benutzen keine förmlichen Anreden«, sagte ihr Bruder. »Bruder David vergißt es immer wieder. Aber nein, mein Freund, ich weiß, daß es der Respekt ist …«
    »Er gebietet es«, sagte >Bruder David< ernst.
    »Aber ich verdiene keinen Respekt, Bruder. Ich bin ebenso ein Sünder wie alle. Vielleicht bin ich

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