Amelia Peabody 03: Der Mumienschrein
Ohr.
»Ich werde den koptischen Gottesdienst besuchen«, sagte ich. »Ramses, möchtest du mich begleiten oder John?«
Zu meiner Überraschung entschied Ramses sich für John. Ich hätte nicht erwartet, daß gewöhnliche Gelüste seine wissenschaftlichen Interessen würden stören können. Ich verabredete mit den beiden, daß wir uns am Brunnen treffen wollten, und sah sie zur Kapelle hinübergehen.
Das Innere der koptischen Kirche der Sitt Miriam war mit verblichenen Bildern der Maria und vieler Heiliger geschmückt. Es gab keinerlei Stühle oder Kirchenbänke, sondern die Gläubigen wanderten umher und unterhielten sich auch, ohne dem Priester, der am Altar betete, allzuviel Beachtung zu schenken. Die Gemeinde bestand aus etwa zwanzig bis dreißig Männern, von denen ich einige wiedererkannte, aber das Gesicht, das ich insgeheim zu sehen erwartet hatte, war nicht darunter. Es hätte mich auch gewundert, wenn Hamid ein regelmäßiger Kirchgänger gewesen wäre.
Ich stellte mich in den hinteren Teil der Kirche neben das Geländer, mit dem der Bezirk der Frauen abgetrennt worden war, aber ich betrat ihn nicht. Als ich eingetreten war, war die Unterhaltung einige Sekunden lang verstummt, und das Auge des Priesters hatte mich verfolgt, ohne daß er allerdings seinen Gesang unterbrochen hätte. Ich verstand nur äußerst wenig, denn dieser Teil des Gottesdienstes wurde in der alten koptischen Sprache gehalten. Ich hatte allerdings das Gefühl, daß weder Priester noch Zuhörer mehr verstanden als ich.
Danach sprach der Priester einen Psalm auf arabisch und wandte sich schließlich mit einem Weihrauchgefäß zu der Gemeinde um. Langsam ging er von einem zum anderen und spendete den Segen, indem er die Hand auflegte und kräftig Weihrauch verbreitete. Schließlich kam er auch zu mir, obwohl ich ganz hinten stand, und legte mir schwer die Hand auf den Kopf. Er segnete mich im Namen der Dreieinigkeit und noch einiger anderer Heiliger, worauf ich ihm dankte und mit einem Zucken des gewaltigen Bartes belohnt wurde, was ich für ein Lächeln hielt. Nachdem der Priester zu seinem Altar zurückgekehrt war, erachtete ich meinen Besuch für beendet und war froh, dem raucherfüllten Raum den Rücken kehren zu können, weil ich jeden Augenblick einen Niesanfall befürchten mußte.
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und ich sog mit tiefen Zügen die frische Luft in meine Lungen. Dann nahm ich den Hut ab, oder vielmehr das, was die schwere priesterliche Pranke von dem ehemals zarten, mit Schleiern und Blüten verzierten Nichts übriggelassen hatte. Mein ganzer Stolz sah mehr als traurig aus, aber zu meiner Genugtuung entdeckte ich zwei Blutflecken, wo meine Hutnadeln die segnende Hand verletzt hatten.
Da mein Schauen und Trauern nichts an der Situation ändern konnten, setzte ich die Überreste meines Huts wieder auf und sah mich um, doch außer ein paar Hühnern und Hunden war weit und breit niemand zu sehen. Also machte ich mich auf den Weg zur amerikanischen Mission.
Die Tür der Kapelle war offen, aber ich hörte nicht die sanfte Orgelmusik, die ich erwartet hatte, sondern einen etwas bunten Chor, der mit ungeübten Stimmen eine Hymne sang. Ich konnte keine Worte verstehen, aber die schrille Stimme meines Sohnes war nicht zu überhören. Da es noch eine Weile dauern konnte, ließ ich mich auf demselben Felsen nieder, auf dem Emerson vor einigen Tagen gesessen hatte, und wartete.
Die Sonne stieg höher, und der Schweiß lief mir über den Rücken, aber das Singen wollte noch immer kein Ende nehmen. Endlich verstummte der Chor, und ich hörte Bruder Ezekiel klar und laut, wie er für die Erleuchteten betete und für die vielen, die noch immer auf falschen Wegen umherirrten. Schließlich war auch das Gebet zu Ende, und die Gemeinde verließ die Kapelle.
Offenbar waren die Missionare recht erfolgreich, denn ihre Anhänger waren zahlreicher als die des Priesters. Die meisten der Bekehrten trugen noch ihren dunkelblauen koptischen Turban, was bewies, daß die Christen kaum Moslems zu ihrem Glauben bekehren konnten. Die koptische Kirche beobachtete die Missionierungsversuche der Christen wegen des Erfolges allerdings mit einigem Mißtrauen, und es hatte auch hier und da schon gewalttätige Zusammenstöße gegeben, wie Emerson mir berichtet hatte. »Nur ein Christ ist in der Lage, einen Glaubensbruder zu verfolgen«, hatte er verächtlich hinzugefügt.
Unter den Gläubigen mit blauem Turban war das Gesicht, das ich gesucht
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