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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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was ich mit Sicherheit annehme, tat er zumindest so, als wäre das nicht der Fall gewesen.
    Ramses war kein ungeübter Reiter, doch auf dem riesigen weißen Hengst wirkte er ziemlich verloren. Emerson beobachtete mit erstauntem Gesichtsausdruck – einer Mischung aus stolzem Lächeln und Verärgerung –, wie der Junge das Pferd in Bewegung setzte. Ich packte ihn am Arm. »Emerson, halt ihn an. Befiehl ihm, daß er absitzen soll.«
    »Regen Sie sich nicht auf, Ma’am«, sagte seine Lordschaft. »Cäsar ist so sanft wie ein Kätzchen.«
    Unsere Männer hatten sich um uns gescharrt und beobachteten das Ganze. Sie grinsten voller Stolz, und Abdullah meinte auf arabisch: »Ihm passiert schon nichts, Sitt. Wenn er wollte, könnte er sogar einen Löwen bezwingen.«
    Er hatte diese Worte kaum ausgesprochen, als ein Gewehrschuß praktisch neben meinem Ohr losdonnerte. Der Schimmel scheute und bäumte sich auf. Ramses klammerte sich wie eine Klette an das Tier, doch mir war klar, daß er stürzen mußte. Seine Füße befanden sich gut und gerne fünfundzwanzig Zentimeter über den schwankenden Steigbügeln, und seine Arme besaßen nicht die Kraft, die Zügel zu halten.
    Betäubt von dem ohrenbetäubenden Knall standen wir für Sekundenbruchteile wie erstarrt vor Entsetzen. Emerson reagierte als erster. Ich habe noch nie einen Mann gesehen, der so schnell gerannt ist. Es war ein bemerkenswerter Einsatz, aber natürlich ziemlich sinnlos, da ein Mann zu Fuß niemals damit rechnen durfte, ein galoppierendes Pferd einzuholen.
    Seine Lordschaft reagierte rascher, als ich erwartet hätte. »Keine Sorge, Ma’am, ich rette den Kleinen«, schrie er und rannte in die Richtung der anderen Pferde, die in einiger Entfernung von zwei Stallburschen bewacht wurden. Bevor er sie jedoch erreichte, schnellte eine Gestalt wie aus dem Nichts auf ihn zu und brachte ihn zu Fall. Der Fremde schwang sich aufs nächste Pferd. Mit einem Befehl und einem Wiehern als Gegenreaktion stoben die beiden davon – Roß und Reiter bildeten eine faszinierende Einheit. Die fliegenden Kleiderzipfel des Reiters blähten sich hinter ihm auf wie riesige Flügel.
    Unsere Männer rannten rufend und gestikulierend hinter Emerson her. Nachdem sich die erste Verwirrung etwas gelegt hatte, saßen der Graf und seine Begleiter auf und nahmen galoppierend die Verfolgung auf. Die beiden Stallburschen sahen sich an, zuckten die Schultern und hockten sich auf den Boden, um das Ganze zu beobachten.
    Ob durch Zufall oder weil es Ramses vielleicht wirklich gelungen war, die Kontrolle über das Pferd wiederzuerlangen – jedenfalls nahm sein Pferd einen weiten Bogen. Falls Ramses das wirklich beabsichtigt hatte, war es ein folgenschwerer Fehler von ihm. Denn der Hengst näherte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit den Wadis – oder Schluchten, die die westliche Wüste durchziehen. Ich konnte nicht sehen, wie tief dieses war, doch es schien etwa drei Meter auseinanderzuklaffen. Das Pferd war sicherlich in der Lage, dieses mit einem Sprung zu überwinden. Allerdings war mir völlig klar, daß Ramses dabei mit Sicherheit aus dem Sattel geworfen werden würde.
    Wie der werte Leser vielleicht vermutet, war mein Gemütszustand bei weitem nicht so ruhig und gelassen. In der Tat wäre »starr vor Entsetzen« die abgedroschene, aber relativ zutreffende Beschreibung meiner Verfassung gewesen. Allerdings blieb mir nichts anderes übrig, als tatenlos zuzuschauen. Es rannten und ritten mittlerweile bereits genug Leute orientierungslos durch das Wüstengebiet.
    Seine Lordschaft hatte seine Männer abgehängt. Was auch immer seine anderen Fehler ausmachte – und ich war mir sicher, daß er davon genügend hatte –, er ritt wie ein Zentaur. Trotzdem blieb er immer hinter dem ersten Verfolger zurück, der sich im halsbrecherischen Galopp dem winzigen Reiter auf seinem gewaltigen Pferd näherte. Wie nicht anders zu erwarten, lag auch Emerson ein gutes Stück im Hintertreffen, und unsere Männer verfolgten ihn wie Läufer auf einer Rennstrecke.
    Der unbekannte Reiter – an dessen Identität ich jedoch keinen Zweifel hatte, da es sich nur um Nemo handeln konnte – überholte plötzlich mit atemberaubender Geschwindigkeit das fliehende Pferd und versuchte es am Rande des Wadis noch aufzuhalten. Für einige beklemmende Augenblicke galoppierten die beiden Hengste Seite an Seite. Nemos Pferd schien praktisch in der Luft zu schweben. Dann trug der mutige Einsatz des Retters endlich Früchte.

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