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Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx

Titel: Amelia Peabody 04: Im Tal der Sphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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zufällig ausgelöste Schuß den Hengst aufgeschreckt hatte. Hätte er allerdings nicht auf diesem Pferd gesessen, wäre die Gefahr nicht eingetreten.
    Bemerkenswerterweise unternahm Ramses nicht einmal den Versuch, sich zu verteidigen, sondern hörte mir schweigend zu, wobei sein abweisender Gesichtsausdruck noch unergründlicher wirkte als sonst. Nachdem ich meinen Vortrag beendet hatte, schickte ich ihn auf sein Zimmer – nicht unbedingt als Bestrafung, da er die heißeste Tageszeit normalerweise immer dort zubrachte und an seiner Grammatik arbeitete.
    Emerson und ich hatten uns nie an die Sitte gewöhnen können, die in arabischen Ländern übliche Nachmittagsruhe einzuhalten. Während einer archäologischen Expedition gibt es, unabhängig von den eigentlichen Ausgrabungen, immer viel zu tun. Ich wußte, daß Emerson am Nachmittag beschäftigt sein würde, da er zugegeben hatte, daß das Schichtgestein der Ruinen am Fuße der Pyramide überaus komplex sei. Seine umfangreichen Notizen und Skizzen mußten übertragen und in eine lesbarere Form gebracht werden.
    Während er noch stirnrunzelnd diese Aufgabe verfluchte, begann ich damit, das von mir am Morgen ausgedachte Szenario in die Tat umzusetzen.
    Enid lag auf ihrem Feldbett. Sie schlief nicht, sondern starrte mit weit aufgerissenen Augen gedankenverloren an die Decke und wandte auch nicht den Kopf, als ich mit einem lauten Räuspern, dem einzig möglichen Ersatz für ein Klopfen, eintrat – da es, wie sich der werte Leser vielleicht erinnert, keine Tür zum Anklopfen gab.
    Ich verstand den Grund für ihre Verzweiflung, die sich nach außen hin in Lethargie niederschlug, und ich war geneigt, sie mit dem Versprechen zu beruhigen, daß ich umgehend handeln würde. Dann entschied ich, daß ich das nicht riskieren durfte.
    Sie hätte mich vermutlich von dem von mir eingeschlagenen Kurs abzubringen versucht. Ich mußte zu einem Vorwand greifen, denn auch wenn ich die geringste Abweichung von offenem und ehrlichem Verhalten zutiefst ablehne, gibt es Gelegenheiten, wo das moralisch Empfehlenswerte hinter der Zweckdienlichkeit zurückzustehen hat.
    »Ich habe Ihnen etwas Lektüre mitgebracht«, sagte ich aufmunternd. »Das wird Ihnen die Zeit hoffentlich besser vertreiben helfen als Meyers Geschichte des Altertums .« Denn das war der Band, den sie achtlos beiseite geworfen hatte.
    Eine leichte Röte belebte ihre blassen Wangen. Sie nahm die Bücher und studierte neugierig deren Titel. »Also, Amelia«, sagte sie mit einem verschmitzten Lächeln, »ich hätte Ihnen niemals einen so schlechten Geschmack zugetraut.«
    »Mir gehört lediglich das Buch von Mr. Haggard«, erklärte ich und nahm auf einem der Umzugskartons Platz. »Die anderen sind von Ramses – ich glaube, es handelt sich um einige dieser sogenannten Kriminalromane.«
    »Überaus bekannte Romane. Haben Sie sie nicht gelesen?«
    »Nein, da sie meiner Meinung nach die Leichtgläubigkeit der Leser unsinnig strapazieren.«
    Es freute mich zu sehen, daß unser kleines Literaturgespräch das Mädchen aufgebaut hatte. Mit einem Augenzwinkern meinte sie: »Mehr strapazieren als die Unterhaltungsromane von Mr. Haggard? Soviel ich weiß, zählen zu seinen Spannungseffekten die verschwundenen Diamantenminen von König Salomon; schöne, jahrtausendealte Frauen …«
    »Sie verraten sich, Enid. Sie würden seine Handlungsstränge nicht kennen, wenn Sie die Bücher nicht gelesen hätten!«
    Ihr Lächeln verschwand. »Ich kenne … ich kannte jemanden, der diese Romane schätzte.«
    Ihren Cousin Ronald? Nach allem, was sie über ihn erzählt hatte, hatte ich ihn nicht als lesenden Menschen eingestuft. Ich war versucht zu fragen, warum sie die Erinnerung an ihn so sorgenvoll stimmte, doch dann beschloß ich, weitere Fragen vorerst zurückzustellen, da mir zur Umsetzung meines Plans nur wenig Zeit blieb.
    »Mr. Haggards Geschichten«, erklärte ich, »stellen lediglich reine Fiktion dar. Wie rational man auch immer denken mag – und ich denke äußerst rational –, braucht der Verstand Perioden der Ablenkung, in denen die Verstrickungen der Phantasie das Unterbewußtsein beleben und damit verdrängtes und unterschwelliges Denken zu Tage fördern, ohne das kein Mensch Bestleistungen erbringen kann. Dagegen geben diese sogenannten Kriminalgeschichten vor, die scharfe Intelligenz des Helden darzustellen. Tatsächlich tun sie aber nichts dergleichen. In den wenigen Kriminalromanen, die ich gelesen habe, kam der Detektiv nur

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