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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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besonders grauenvolle Darstellung, die ebenfalls lebensecht wirkte, zeigte den ermordeten, in seiner Badewanne liegenden Marat, und das Messer steckte noch in seinem Körper. (Sicherlich muß ich den werten Leser nicht darauf hinweisen, daß es sich bei dem mutigen Attentäter um eine Frau handelte.)
    Der werte Leser wird sich allerdings fragen, warum ich den Kindern erlaubte, sich diese gräßlichen Szenen anzuschauen. Die Antwort ist einfach: Ich tat es keineswegs. Die Kabinette waren überfüllt, nicht nur von Menschen, sondern auch von ihren ausladenden Gewändern, und ein kleines Kind konnte sich mit Leichtigkeit hinter den ausladenden Röcken und den weiten Mänteln verstecken. Ramses stahl sich als erster fort. Als sein Fehlen bemerkt wurde, hatte Percy rasch eine Erklärung zur Hand.
    »Vermutlich ist er ins Horrorkabinett gegangen, Tante Amelia. Ich gehe und suche ihn, ja?«
    Ohne meine Antwort abzuwarten, verschwand er.
    »Ich werde ihm folgen, Emerson«, sagte ich. »Du bleibst hier bei Violet – und zeigst ihr die Szene von Ihrer Erlauchten Majestät, Prinz Albert und ihren reizenden Kindern.«
    Violet jedoch zerrte an der Hand ihres Onkels. »Ich will die Toten sehen, Onkel Radcliffe.«
    »Meine liebe Violet«, hub ich an.
    »Sie hat sie schon einmal gesehen, Amelia«, erwiderte Emerson und ließ sich von der kleinen Nervensäge wegziehen. »Die Blutrünstigkeit unschuldiger Kinder ist völlig natürlich, weißt du; das ist mir schon häufig aufgefallen, und ich kann nicht verstehen, warum diese sogenannten modernen Pädagogen das nicht zugeben wollen.«
    Mir war klar, warum Emerson so positiv reagierte. Genau wie ich hatte er sich schon häufig gefragt, ob das Interesse seines Sohnes an Mumien und alten Gebeinen einer tief verankerten, mentalen Abnormität entsprang. Die Entdeckung, daß vermutlich normale Kinder wie Percy und Violet die gleiche Neigung hatten, beruhigte ihn.
    »Nun, Emerson, ich bin zwar nicht einverstanden, aber wenn du darauf bestehst, werde ich mich selbstverständlich fügen.«
    »Pah«, meinte Emerson. »Du möchtest dir das Horrorkabinett doch auch anschauen.«
    Natürlich hatten die Jungen sogleich die gräßlichsten Exponate entdeckt; ihre beiderseitige Antipathie schien vorübergehend außer Kraft gesetzt, und sie standen einträchtig nebeneinander und betrachteten die »berühmten Mörder«.
    Eine erst kürzlich hinzugekommene Wachsfigur war die eines gewissen Neill Cream, der aufgrund einer Mordserie an unglücklichen, gefallenen Mädchen gehenkt worden war, die er mit dem zu Recht als bestialisch bezeichneten Strychnin ausgeführt hatte. Seine weit aufgerissenen Augen, der riesige rotbraune Schnauzbart, die Glatze und sein hämisches Grinsen verliehen ihm ein so abstoßendes Äußeres, daß man sich fragte, wie eine Frau, ob nun gefallen oder aufrecht, aus der Hand dieses Mannes auch nur irgend etwas hatte nehmen können.
    »Komm von da weg, Ramses«, entfuhr es mir.
    Emerson hielt Violet an der Hand und gesellte sich zu Percy, der vor Dr. Pritchards Ebenbild stand. Dieser Missetäter hatte nicht nur Verrat an seinem Berufsstand, sondern auch an seiner Ehe geübt, indem er seine Frau langsam und qualvoll mit Brechweinstein vergiftete. (Seine Schwiegermutter hatte er ebenfalls ins Jenseits befördert, weil ihm diese vermutlich auf die Schliche gekommen war.) Wir sind uns alle darüber im klaren, daß der Gattenmord von besonderer Grausamkeit ist; und Pritchard zählte sicherlich zu den kaltblütigsten Heuchlern in den Verbrechensannalen, denn er teilte nicht nur das Bett mit seiner dahinsiechenden Frau und hielt sie im Todeskampf in seinen Armen, nein, er hatte sogar darauf bestanden, daß ihr Sarg erneut geöffnet wurde, damit er sie ein letztes Mal umarmen konnte.
    »Mit Sicherheit«, merkte ich gegenüber Emerson an, »gibt es kein infameres Beispiel für einen Judaskuß als das dieses Halunken, der von Krokodilstränen geschüttelt seinen Mund auf die kalten Lippen der von ihm hinterhältig abgeschlachteten Frau preßte und damit Verrat an der innigsten aller menschlichen Verbindungen übte.«
    Diese Feststellung zu leugnen wäre schwierig gewesen; aber Emerson befand sich an jenem Tag in einer perversen Stimmung. »Pritchard wird seine Gründe gehabt haben«, erklärte er. »Ich empfinde es als schwierig, einen Mann gänzlich zu verachten, der von sich behaupten konnte, daß er die >jungen Adler aus den Horsten der arabischen Wüste holte und den Berglöwen in der

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