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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Köpfe zu modellieren, die man ihr frisch von der Guillotine gebracht hatte?«
    »Ja, Sir, selbst das Haupt der armen Königin«, ereiferte sich Percy. »Die Madame gut gekannt hatte. Stell dir das nur vor, Sir, wie gräßlich!«
    »Tot«, murmelte Violet.
     
    Trotz der pessimistischen Gedanken, die meine Stimmung trübten, empfand ich Stolz, als ich unsere (vorübergehend vergrößerte) Familie aufbruchbereit vor mir sah. Emerson hatte sich einverstanden erklärt, einen Gehrock und einen steifen Kragen zu tragen, beschwerte sich jedoch, daß ihm dieser am Kinn drückte. Doch selbst mein gutes Zureden konnte ihn nicht davon überzeugen, sein elegantes Erscheinungsbild mit einem Zylinder zu vervollständigen; und ich muß gestehen, daß die zwischen seinen makellosen weißen Zähnen steckende Pfeife etwas deplaziert wirkte. Trotzdem sieht Emerson jederzeit und in jeder Garderobe großartig aus.
    Die Jungen trugen die gleichen Matrosenanzüge und -mützen. Der Gegensatz zwischen ihnen war noch nie so deutlich zum Vorschein getreten: Percys helle englische Haut und das weiche, braungewellte Haar neben der ungezähmten rabenschwarzen Lockenpracht und den gebräunten Wangen von Ramses. Ich muß zugeben, daß ein solcher Aufzug ebensowenig zu meinem Sohn paßte wie zu seinem Vater. Er wirkte wie die traurige Miniaturausgabe eines Erwachsenen in Kinderkleidung. Allerdings hatte der Matrosenanzug einen Vorteil – er war waschbar. Dieser Vorteil war bei Ramses von unschätzbarem Wert.
    Violet war dermaßen mit Rüschen ausstaffiert, daß man nur schwerlich ein Kind darin vermuten konnte. Der spitzenumsäumte Rand ihrer kleinen Haube war nicht sorgfältig gestärkt; er hing herab und verdeckte einen Großteil ihres Gesichts. Statt einer Puppe trug sie ein Plüschlamm unter dem Arm, in dem ich das wiedererkannte, das ich Ramses im Alter von drei Jahren geschenkt hatte. Es war in hervorragendem Zustand, da Ramses nie damit gespielt hatte. (Nie werde ich seinen Gesichtsausdruck vergessen, als er es nach einigen Minuten andächtiger Betrachtung vorsichtig auf sein Regal stellte und sich dann wieder seinem Studium der Hieroglyphen zuwandte.)
    Während wir fuhren, wies ich auf historisch interessante Bauwerke hin, und ich war angenehm überrascht, mit welcher Begeisterung Ramses diese betrachtete. Als wir die Baker Street erreichten, in der sich Madame Tussaud’s Wachsfigurenkabinett befand, lehnte er sich so weit aus der Kutsche, als hielte er nach irgend etwas Ausschau. Auf mein Nachfragen schüttelte er jedoch lediglich den Kopf.
    Ich gebe zu, daß ich die Anziehungskraft von Wachsfiguren noch nie verstanden habe, wie exakt sie die Gesichtszüge und Gestalten von Personen auch wiedergeben. Es ist die lebhafte Bewegung, die den menschlichen Ausdruck interessant macht – die schuldbewußt gesenkten Lider, die bebenden Lippen des ertappten Verdächtigen.
    Allerdings waren die historischen Szenen interessant, und ich gab kurze Erläuterungen zu dem Gezeigten. Besonders anrührend war eine, die Ihre Majestät als junges Mädchen im Alter von 17 Jahren zeigte. Ihr offenes Haar fiel ihr über die Schultern des züchtigen weißen Nachtgewandes, und ernst dreinblickende, bärtige Würdenträger knieten vor ihr, küßten ihre Hand und erklärten sie zur Königin. (Denn sie war, wie der werte Leser vielleicht weiß, aus ihrem unschuldigen Schlaf gerissen worden.) Und welche zärtlichen Erinnerungen schwor die Szene herauf, die das Massaker des kühnen Gordon veranschaulichte! In jenem Jahr war ich in Ägypten gewesen – mein erster Besuch in dem Land meiner Bestimmung, meine erste Begegnung mit dem mir vorbestimmten Gatten. Ich blickte zu Emerson.
    »Welche Erinnerungen diese Szene doch heraufbeschwört, Emerson.«
    »Hmmph«, brummte Emerson, auf seinem Pfeifenmundstück herumkauend.
    Das Prunkstück der Sammlung sind zweifellos die an die Französische Revolution angelehnten Szenen und die abgetrennten Köpfe, die Madame unter den gräßlichen, von Percy geschilderten Bedingungen modelliert hatte. Man kann das Entsetzen nur erahnen, das die unglückliche Künstlerin aufgrund der bleichen Gesichter des Königs und der Königin empfunden haben muß, die sie so wohlwollend behandelt hatten. Doch die Geschichte hatte Marie Antoinette ausgelöscht, und neben ihr lagen die totenbleichen Köpfe ihrer Mörder: Fouquier-Tinville, Hébert und auch Robespierre, die man Madame Tussaud sukzessive in ihr Gefängnisatelier gebracht hatte. Eine

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