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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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gewesen waren. (Vielfach sieht die Geschichte gnädig über kleine Fehltritte wie Straßenraub, Mord, Freibeutertum und Vergewaltigung hinweg, insbesondere dann, wenn die Unholde Titel und Liegenschaften besitzen.)
    Ich entgegnete nichts darauf, wie ich das normalerweise vielleicht getan hätte, denn es war nur zu offensichtlich, daß der bedauernswerte junge Mann nicht einmal vor sich selbst zugeben konnte, daß er der letzte aus seinem Adelsgeschlecht war. Ungerührt und seltsam provokant sprach er von Heirat und dem Wunsch, einen Sohn in seinen Armen zu halten, der seinen Namen und seine Titel erbte. Während ich ihm lauschte, befiel mich ein Gefühl der Beklommenheit. Dieser Junge würde es nie erleben, seinen eigenen Sohn zu sehen. Selbst wenn es ihm gelang, einen Erben zu zeugen, würde er das Kind und dessen bedauernswerte Mutter mit der gleichen Krankheit infizieren, die ihn langsam dahinraffte. Lord St. John, der mir am Tisch gegenübersaß, schien ähnlich berührt; sein ironisches Grinsen war verschwunden. Und als Liverpool eine gewisse junge Dame erwähnte, die der Ehre des Titels einer Gräfin von Liverpool würdig sei, biß sich St. John so heftig auf die Lippe, daß dunkelrote Blutstropfen hervortraten.
    Es bereitete mir keinerlei Schwierigkeit, Lord Liverpool dazu zu bewegen, uns das Haus zu zeigen, dessen Gestaltung und Inventar ich zu seiner offensichtlichen Freude in den höchsten Tönen lobte. Nur der aus dem 18. Jahrhundert stammende Flügel war bewohnt; doch die Schlafkammer der Königin hatte man in ihrem ursprünglichen Zustand belassen, wenn auch die Vorhänge mittlerweile zerfetzt waren und unentwegtes Rascheln in der Matratze auf ein Mäusedomizil hindeutete.
    Am Ende der langen Galerie im Tudor-Flügel – die mit Gemälden von zweifelhaftem Kunstverstand, aber zweifellos hohem Alter bestückt war – bemerkte ich eine schwere Tür, deren massive dunkle Eichenpaneele und die riesigen Scharniere ihre ehrwürdige Bejahrtheit verrieten. In meiner impulsiven Art drückte ich die Klinke hinunter. »Sie ist verschlossen«, entfuhr es mir. »Befinden sich dahinter die Schatzkammern und die Kerker, Ihre Lordschaft? Werden wir in rostige Ketten gelegte Skelette sehen und gräßliche Folterwerkzeuge?«
    Mein kleiner Scherz entging Lord Liverpool. Offensichtlich betreten, starrte er vor sich hin; Lord St. John jedoch brach in schallendes Gelächter aus.
    »Das wäre so ganz nach Ihrem Geschmack, nicht wahr, Mrs. Emerson? Ich befürchte, daß sich die Skelette in den Schränken befinden, aber nicht in den Kerkern. Diese Tür führt in den ältesten Teil des Hauses, aber sie ist schon seit vielen Jahren verschlossen. Sie würden es ablehnen, sich dort hineinzuwagen. Er ist voller Spinnweben, Mäuse und sogar Fledermäuse.«
    »Fledermäuse stören mich nicht im geringsten«, versicherte ich ihm. »In den ägyptischen Pyramiden und Grabstätten wimmelt es von diesen Geschöpfen, so daß ich mich daran gewöhnt habe.«
    »Ah, aber der morsche Fußboden und der abbröckelnde Putz würden Ihnen etwas ausmachen«, erwiderte Lord St. John. »Nicht wahr, Ned?«
    »Oh. O ja, ganz recht. Wir wollen doch nicht, daß Sie sich einen Ihrer hübschen Knöchel zerren, Mrs. Emerson. Ah – hoffentlich stört es Sie nicht, daß ich das gesagt habe, Professor?«
    »Nicht im geringsten«, säuselte Emerson. »Mrs. Emerson hat wohlgeformte Knöchel. Freut mich, daß Ihnen das aufgefallen ist, Ihre Lordschaft.«
    Hastig zog ich Emerson von ihm fort.
    Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nur wenig gesagt, doch als er die Antiquitätensammlung des verstorbenen Grafen begutachtete, war er wieder in seinem Element. Nichts erfüllte ihn mit einer solchen Leidenschaft wie der illegale Handel und die gesetzwidrige Ausfuhr von Kunstschätzen, die frühere Epochen ägyptischer Ausgrabungen kennzeichneten und die trotz der Bemühungen der Antikenverwaltung keinen Einhalt fanden.
    »Man hätte ihn hängen sollen«, ereiferte sich Emerson und bezog sich damit auf den verstorbenen Grafen. »Ihn und seine ganze Sippschaft! Schau dir das an, Peabody – mit Sicherheit altes Königreich, vom Stil her ähnlich den Mastaben von Ti und Mereruka – Gott weiß wo geraubt –«
    Bei diesem Gegenstand handelte es sich um einen Sandsteinquader mit einem hervorragend erhaltenen Relief. Darauf war ein Teil einer Jagdszene in den Sumpfgebieten abgebildet. Zentrale Figur war eine Katze mit einem Fisch in ihrem Mäulchen, deren anmutige Schönheit und

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