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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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hinter sich und blickte mich dann mit ernstem Gesicht an. Er war bereits im Nachthemd und für seine Verhältnisse relativ sauber. Im stillen fragte ich mich, ob er sich des anrührenden Eindrucks bewußt war, den er auf seine Mutter ausübte, mit seinem blütenweißen Nachthemd und den winzigen, nackten Füßen (eigentlich sollte er Hausschuhe tragen, doch das kümmerte ihn nicht). Mein Mißtrauen verflog; nicht einmal Ramses konnte so berechnend sein, daß er die zärtlichsten Empfindungen seiner Mutter wachrief, um sie von ihrem Mißtrauen abzulenken.
    »Ich wollte dir eine gute Nacht wünschen und dich fragen …«, hub Ramses an.
    »Das habe ich mir gedacht. Gib mir einen Gutenachtkuß, und dann geh ins Bett. Es ist schon spät.«
    »Ja, Mama.« Ramses gab mir den Kuß, den ich erwiderte, und entwand sich dann meiner Umarmung. »Ich wollte dich fragen –«
    »Ramses, ich habe dir doch erklärt, daß dein Papa noch nicht zurückgekehrt ist. Wenn er heimkommt, wird er dir einen Gutenachtkuß geben; das macht er doch immer.«
    »Ja, Mama. Aber das war nicht meine Frage. Papas lange Abwesenheit ist mir sehr wohl bewußt, da ich mitbekommen habe –«
    »Du hast es also mitbekommen, soso? Was willst du dann?«
    »Ich möchte um einen Vorschuß auf mein Taschengeld bitten.«
    Die Idee, Ramses ein regelmäßiges Taschengeld zu geben, stammte von Emerson, und ich muß gestehen, sie hatte sich als hervorragend erwiesen. Die Summe war vergleichsweise hoch, doch Emerson stellte fest, daß wir ihm ohnehin ständig Bücher und Papier und Stifte und andere Lehrmaterialien kauften; wenn er gezwungen wurde, den Kostenrahmen für seine Bedürfnisse selbst zu überwachen, dann war das eine sinnvolle ökonomische Übung, die uns letztlich nicht mehr kostete als das ohnehin Geleistete.
    »Was, hast du das von letzter Woche schon ausgegeben? Du hast Miss Helen erklärt, du besäßest 12 Shilling und ein Sixpence, und das war, bevor dein Papa dir –«
    »Ich hatte ungewöhnlich hohe Ausgaben«, erklärte Ramses.
    »Deine Mumifikationsversuche, nehme ich an.« Ich schnitt eine Grimasse. »Also gut; Mamas Brieftasche liegt auf dem Schreibtisch, nimm dir, was du brauchst.«
    »Vielen Dank, Mama. Darf ich hinzufügen, daß dein in meine Ehrlichkeit gesetztes Vertrauen meine tiefsten Empfindungen der –«
    »Schon gut, mein Sohn, schon gut.« Ich sah auf meine Uhr. Nicht einmal fünf Minuten waren seit meinem letzten Blick vergangen. Würden sich die Zeiger denn nie bewegen?
    Ramses eilte zur Tür. »Gute Nacht, Mama.«
    »Gute Nacht, mein Sohn. Schlaf–«
    Bevor ich geendet hatte, fiel die Tür ins Schloß. Auch gut; aufgrund meines nervösen Erregungszustands konnte ich die Gesellschaft einer weiteren Person kaum ertragen, geschweige denn, mich auf ein Gespräch konzentrieren.
    Schließlich war die mir endlos erscheinende Wartezeit vorüber, und ich bereitete mich auf meinen Aufbruch vor. Ich hatte lange überlegt, was ich anziehen sollte, und mich schließlich für eine der Garderoben entschieden, die ich auf unseren Exkavationen in Ägypten so praktisch fand – eine knielange Schurwollhose, feste Stiefel, ein weites Hemd und darunter das neue Mieder, das ich mir erst kürzlich hatte anfertigen lassen. Dann nahm ich meinen Gürtel vom Schreibtisch und schnallte ihn um; und das vertraute Klappern der daran befestigten, nützlichen Utensilien erfüllte mich mit Zuversicht und gab mir Kraft. Nur das Fehlen meines Revolvers bedauerte ich zutiefst. Aufgrund der Vorbehalte Emersons gegenüber Waffen im Haushalt und seiner Behauptung, daß eine solche Vorsichtsmaßnahme im zivilisierten England unnötig sei, hatte ich ihn Abdullah überlassen. Wäre mein geschätzter Gatte in meiner Nähe gewesen, hätte ich ihn auf die fatale Dummheit dieser Annahme hingewiesen.
    Vor Aufregung klopfte mein Herz so laut, daß ich die entfernten Geräusche kaum wahrnahm und ihnen erst Bedeutung beimaß, als die Tür zum Schlafzimmer aufgerissen wurde. Wie soll ich die Empfindungen beschreiben, die jeden Quadratzentimeter meines Körpers durchfluteten, als ich ihn sah … Emerson. Dieses eine Wort sagt alles. Ich kann diese Empfindungen nicht beschreiben und will es auch gar nicht versuchen.
    Nach einer Zeitspanne, die ich ebenfalls nicht zu beschreiben versuche, hielt mich Emerson auf Armeslänge von sich und blickte mich fragend an. »Nicht, daß ich deine Leidenschaft nicht schätzen würde, Peabody«, bemerkte er, »trotzdem kann ich sie mir irgendwie

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