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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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müssen, wenn er zu Empfindungen in der Lage gewesen wäre.
    Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für philosophische Betrachtungen, so sehr mich das auch fasziniert. Ich lehnte mich mit dem Rücken an den Zaun, der den Obelisken umgab, und wartete absolut konzentriert. Der Nebelschleier über dem Fluß war dichter geworden, und einzelne Schwaden trieben zum Ufer. Eine ungefähr 20 Meter entfernte Laterne warf ihr helles Licht auf das Pflaster, allerdings fiel nur ein schwacher Schimmer auf die Seite des Monuments.
    Dreißig Minuten vor der besagten Stunde hatte ich Emerson verlassen. Da ich wußte, wie stark sich das Zeitgefühl in solchen Situationen täuschen läßt, war ich auf eine subjektiv lange Wartezeit vorbereitet; doch ich hatte kaum meine Position eingenommen, als ich aufgrund eines leisen Zischens meinen Kopf abrupt nach links wandte.
    Sie trug dunkle Kleidung. Nur ihre blaßschimmernde Hand, die den Schleier vor ihrem Gesicht festhielt, verriet ihre Gegenwart.
    »Guten Abend«, hub ich an.
    Ihre Hand schoß vor und bedeckte meinen Mund. »Pst! Schweigen Sie, und befolgen Sie meinen Rat. Uns bleibt keine Zeit. Gehen Sie rasch, bevor er kommt.«
    Ich wehrte die heißen, auf meine Lippen gepreßten Finger ab. »Sie haben mich gebeten –«
    »Närrin! Er zwang mich, diese Nachricht zu schreiben. Ich hatte gehofft, daß Sie früher einträfen und ich Sie warnen könnte, denn ich habe … Aber das tut nichts zur Sache, Sie müssen verschwinden. Ich dachte, er wolle sie für die Zeremonie in der morgigen Nacht, und das würde … Aber jetzt hat er die andere, sie erfüllt seinen Zweck, und doch, als ich sagte, in Ordnung, dann werde ich die Sitt Hakim nicht treffen, da hat er … Er will Sie töten, daran besteht überhaupt kein Zweifel.«
    Sie stand dicht vor mir und torpedierte mich mit ihren unzusammenhängenden Sätzen. Ihre Hände zogen und zerrten an mir, als wollte sie ihre drängenden Worte bekräftigen. Ihr Schleier war gesunken, und selbst in der Dunkelheit konnte ich erkennen, was er ihr angetan hatte, nachdem sie sich ihm zu widersetzen gewagt hatte.
    »Kommen Sie mit mir«, drängte ich, während ich versuchte, eine ihrer heftig gestikulierenden Hände zu packen. »Warum schützen Sie einen Mann, der Sie bedroht, Sie schlägt? Nennen Sie mir seinen Namen. Ich verspreche Ihnen, er wird nie wieder –«
    »Sie kennen ihn nicht. Sie wissen nicht, wozu er fähig ist. Er besitzt Macht … Oh, Sie sind eine verrückte, unterkühlte Engländerin. Fürchten Sie sich denn nicht vor dem Tod?«
    »Nicht so sehr wie Sie«, sagte ich. »Und doch nahmen Sie das Risiko auf sich, mich zu warnen. Warum?«
    Ihre Hände entspannten; für einen Augenblick ruhten sie bewegungslos auf meinen Schultern. »Er liebt Sie«, flüsterte sie. »Von allen mir bekannten Männern ist er so … so … Und Sie verwendeten mir gegenüber an jenem Tag solche Worte … Oh, es ist irrsinnig! Gehen Sie jetzt endlich?«
    »Nur, wenn Sie mitkommen. Ich werde Sie nicht zurücklassen und Sie der Konfrontation mit ihm aussetzen.«
    Sie erwiderte meinen Blick. Ich glaubte wirklich, daß ich sie überzeugt hatte. Dann ließ sie mich los und glitt in die Dunkelheit.
    Impulsiv wollte ich ihr folgen; doch dann siegte meine Vernunft, und ich blieb, wo ich war. Sie war außer Sichtweite, irgendwo hinter dem Obelisken; aufgrund der Dunkelheit und des zunehmenden Nebels konnte sie mir leicht entwischen. Wenn ich ihr nachging, verpaßte ich vielleicht meinen wahren Gegner – den Mörder persönlich. Hatte ich den Schurken erst einmal in meiner Gewalt, brauchte ich weder Ayesha noch sie mich. (Obwohl ich nach wie vor beabsichtigte, sie von einem Rückzug in ein friedliches, harmonisches Landleben zu überzeugen.)
    Ein Aufschrei durchbrach die nächtliche Stille! Er verebbte so abrupt, als habe eine brutale Hand den Hilferuf unterbunden. Es bestand nicht der geringste Zweifel, daß er von Ayesha stammte. Mit gezücktem Schirm stürmte ich unumwunden in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war.
    Man stelle sich mein Erstaunen vor, als ich als ersten Emerson bemerkte. Um ehrlich zu sein, hatte ich seine Anwesenheit schon fast vergessen. Er stand im Lichtkegel einer nahe gelegenen Gaslaterne und starrte über das Pflaster in den Park. Er lag in völliger Dunkelheit, trotzdem bemerkte ich einen Schatten, der weder Busch noch Baum hätte sein können – eine hünenhafte, gespenstische und kaum menschenähnliche Gestalt.
    »Warte,

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