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Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Amelia Peabody 05: Der Sarkophag

Titel: Amelia Peabody 05: Der Sarkophag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Schritt die Tausende von Meilen überbrückt, die zwischen London und Kairo liegen.
    Unzählige Perserteppiche bedeckten den Boden. Wände und Decke waren mit Goldbrokat bespannt, selbst die Fenster – falls es sich wirklich um Fenster handelte, denn es fiel kein Lichtstrahl ins Zimmer. Die einzige Beleuchtung stammte von kunstvoll verzierten Deckenlampen, die an so filigranen Ketten hingen, daß der leichteste Lufthauch sie in Bewegung setzte, und deren goldfarbene Lichtreflexe wie Sternschnuppen oder Glühwürmchen durch das Dunkel tanzten.
    Zunächst glaubte ich, daß sich niemand im Raum befände; doch als sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, bemerkte ich eine Gestalt auf einem Diwan an einer der Wände. Unbewußt umklammerten meine Hände den Knauf meines Schirms. Es bestand kein Grund, einen Angriff zu befürchten, denn ich hatte nichts getan, was sie als bedrohlich hätte empfinden können; dennoch erinnerte mich die Atmosphäre schmerzvoll und lebhaft an einen ähnlichen Raum, in dem ich vor kurzem einige der unangenehmsten Stunden meines Lebens verbracht hatte, und der aufsteigende, süßlich duftende Rauch aus einer Schale neben dem Sofa, auf dem sie ruhte, raubte mir die Sinne.
    Aber nur für einen Augenblick. Ich dachte an meinen Auftrag; ich brachte mir ins Bewußtsein, wer ich war und was sie war. Nach östlicher Sitte erwartet die Person von niederem Rang, daß sie angesprochen wird, bevor sie reagiert. Ich räusperte mich und sprach sie an.
    »Guten Morgen. Verzeihen Sie mein Eindringen. Ich bin –«
    »Ich weiß, wer Sie sind.« Sie deutete eine Bewegung ihrer Hand an – eine Geste von unglaublicher Anmut. »Setzen Sie sich.«
    Sie hatte mir keinen Stuhl angeboten, sondern einen niedrigen Schemel. Ich wage zu behaupten, daß die meisten englischen Frauen diese Sitzhaltung als unangenehm empfunden hätten, wenn nicht sogar als unmöglich. Rasch ließ ich mich nieder und glättete meine Röcke.
    Jetzt war sie kaum einen Meter von mir entfernt, doch ihre Gesichtszüge konnte ich immer noch nicht genau erkennen, da sie einen langen, an einem juwelenbesetzten Band befestigten Gesichtsschleier trug. Dieser aus weißer Baumwolle oder Seide gefertigte Schleier wird normalerweise nicht in Gegenwart von anderen Frauen angelegt. Ich konnte nur vermuten, daß Ayesha mich unterschwellig zu brüskieren versuchte; allerdings wäre das so subtil gewesen, daß ich nicht verstand, was sie damit bezweckte. Ihr Schleier war so fein, daß er ihr vollkommenes Gesichtsoval, die ausgeprägte Nase und das energische Kinn betonte. Sie trug keine Kopfbedeckung. Ihr gewelltes Haar fiel ihr wie schimmernde schwarze Seide über die Schultern. Ihre Bekleidung entsprach der, die hochstehende ägyptische Damen in der Abgeschiedenheit des Harems tragen – eine weite, gestreifte Hose aus Seide und eine lange, an Oberkörper und Armen enganliegende Weste. Diese enthüllte ihren halben Busen, denn sie trug nichts darunter. Ihre in dieser Form betonten beziehungsweise entblößten Körperteile waren überaus wohlgeformt; ihre zarte Haut schimmerte bernsteinfarben.
    Ihre Haltung war lasziv, beinahe verführerisch. Auf einen Ellbogen gestützt, winkelte sie ein Knie an, und der Seidenstoff glitt beiseite und entblößte ein so vollendetes Bein wie das einer Nymphe. Die Hose war – entgegen der geläufigen Sitte – vom Oberschenkel bis zum Knöchel geschlitzt.
    »Wie haben Sie mich gefunden?« fragte sie.
    Ihr Englisch war beinahe akzentfrei. Die Sitten und Gebräuche des Ostens sind subtil und verblüffend. Insbesondere die Frauen, die sich so gut wie nie äußern dürfen, haben ihre eigenen Methoden entwickelt, um ihre Verachtung auszudrücken. Ihr Gebrauch meiner Muttersprache – denn sie mußte gewußt haben, daß ich die ihre sprach – war ein Mittel, um ihre Überlegenheit zu dokumentieren, und die Frage selbst beinhaltete weitaus mehr, als sie eigentlich aussagte. (Ich will das genauer umschreiben: Da sie nicht fragte, warum ich gekommen war, ging sie davon aus, daß ich einen diesbezüglichen Grund hatte.
    Was dieser Grund hätte sein können, sollte dem werten Leser klar sein.)
    Ich war weder gewillt, dem Problem aus dem Weg zu gehen, noch Ahmet zu verraten, der meiner Meinung nach bereits genug Ärger hatte. »Sie sagten, Sie kennen mich, Ayesha. Dann wissen Sie auch, daß ich Mittel und Wege kenne, Menschen zu finden. Ich sah Sie gestern nacht, und mein scharfer Blick hat Ihre Verkleidung

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