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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Man nudelte die Frauen wie Gänse und hinderte sie so daran, sich in die Staatsgeschäfte einzumischen – wie ich zugeben muß, eine humanere Methode als Hinrichtung oder Kerkerhaft.«
    Emerson betrachtete mich zweifelnd. Dann schüttelte er bedauernd den Kopf. »Du weißt ebensogut wie ich, daß dickleibige Menschen nicht träger sind als andere. Und auf einigen meroitischen Reliefs sind Königinnen zu sehen, die Gefangene mit jugendlichem Elan und Begeisterung aufspießen.«
    »Richtig.« Ich zwang mich, ein paar Löffel von dem Eintopf zu essen. »Ich bezweifle, daß einige Kilo mehr meinen Charakter verändern würden.«
    »Dessen bin ich mir auch sicher«, verkündete Emerson. »Aber ich hoffe, daß du nicht mit dem Gedanken an ein Experiment spielst. Hast du sonst noch etwas Interessantes von der Königin erfahren?«
    »Eigentlich nicht. Und was ist mit dir?«
    »Ich kann den Anblick von Essen nicht ertragen«, erklärte Emerson und schob seinen Stuhl zurück. »Wenn du ebenfalls fertig bist, Peabody, können wir im Garten Spazierengehen.«
    Bis dahin hatten wir nichts gesagt, was nicht auch unserem Gefolge bekannt gewesen wäre. Doch ich sah Emerson an, daß er mit mir etwas unter vier Augen besprechen wollte und einen taktvollen Weg suchte, unserem Hofstaat zu entkommen. Die Männer lenkten wir ab, indem wir sie einluden, sich an den kaum berührten Speisen zu laben. Und als die Damen uns folgen wollten, schickten wir sie auf die Suche nach Ramses. Er war schon den ganzen Vormittag verschwunden, weshalb meine mütterliche Sorge nicht nur gespielt war.
    »Was ist?« fragte ich, während wir am Wasserbecken entlangschlenderten. »Hast du Tarek gesehen?«
    »Nein. Man teilte mir mit, beide Prinzen seien mit Staatsgeschäften befaßt. Aber Murtek empfing mich herzlich und hielt mich den ganzen Vormittag fest. Mir gefällt der alte Knabe, Peabody, er hat einen wissenschaftlichen Verstand. Er war der einzige Erwachsene, der die intellektuelle Neugier besaß, Englisch von Forth zu lernen und ihn über das Leben in der Welt da draußen auszufragen.«
    »Murteks Englisch ist nicht so gut wie Tareks.«
    »Murtek hatte die zusätzliche Schwierigkeit, daß er die Sprache erst spät im Leben lernte. Ein junger Mensch kann sich die seltsamen Laute einer Fremdsprache viel leichter aneignen. Allerdings ist Tarek mit Sicherheit hochintelligent. Laut Murtek war er Forths Musterschüler und setzte seine Studien fort, nachdem die meisten seiner Altersgenossen schon gelangweilt das Handtuch geworfen hatten. Auch Murtek blieb bei der Stange. Und als er über Forth sprach, war ihm deutlich anzumerken, wie gern er ihn gehabt haben muß. Murtek besitzt die seltene und bewundernswerte Gabe der geistigen Neugier – die Liebe zum Wissen um seiner selbst willen. Du hättest einige seiner Fragen hören sollen, über unsere Regierung, unsere Geschichte, selbst unsere Literatur. Ich mußte ihm sogar Hamlets großen Monolog erläutern.«
    »Shakespeare!« rief ich aus. »Emerson, weißt du, was das bedeutet? Hat Murtek dir das Buch gezeigt?«
    »Nein, warum sollte er? Er …« Emerson hielt inne und starrte mich an. »Mein Gott, Peabody! Du mußt mich für einen kompletten Idioten halten. So begeistert war ich, einen Mann von derart großem Verstand kennenzulernen, daß ich nicht auf diesen Gedanken gekommen bin. Forth muß eine Shakespeare-Ausgabe bei sich gehabt haben; woher sonst hätte Murtek davon wissen sollen?«
    »Es gibt wahrscheinlich noch andere Möglichkeiten«, räumte ich ein. »Von Shakespeare sind schon seit vielen Jahren unzählige verschiedene Ausgaben im Umlauf. Bestimmt war Mr. Forth nicht der erste, der dieses Tal entdeckt hat. Vielleicht ist es ja ein Zufall. Murtek hat dir das fragliche Buch nicht gezeigt, und mein nächtlicher Besucher sagte mir, ich solle auf einen Boten warten.«
    »Ja, aber die Umstände könnten sich geändert haben«, sagte Emerson bekümmert. »Ich weiß nicht, wie Robin Hood es überhaupt geschafft hat, hier ins Haus zu kommen. Möglicherweise gelingt es ihm kein zweites Mal. Ich habe von Murtek eine Menge über die politische Lage erfahren. Er sagte nichts, was man ihm als Verrat auslegen könnte – seine Diener und meine hingen an unseren Lippen –, aber ich bin sicher, daß er von mir genügend Intelligenz erwartete, um seine Anspielungen zu verstehen. Natürlich weißt du, daß man im alten Ägypten, anders als bei uns, nicht zwischen Politik und Religion unterschied. Der König war ein

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