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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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»Wenn ich leugnete, daß ich mir auch darüber Gedanken mache, wäre ich ein Heuchler, Herr Professor. Aber ob Sie es glauben oder nicht, es geht mir nicht hauptsächlich darum. Früher oder später werde ich Titel und Vermögen ohnehin erben, da ich der einzige Nachkomme bin. Doch mein Großvater …«
    Er brach ab und blickte sich ruckartig um. Diesmal war es kein Irrtum, denn das Getöse in der Vorhalle war so laut, daß man es sogar durch die geschlossene Tür hören konnte. Gargerys entrüstet erhobene Stimme wurde durch ein Geräusch, so durchdringend und schrill wie das Trompeten eines Elefantenbullen, übertönt. Dann flog die Tür krachend auf und auf der Schwelle stand die beeindruckendste Gestalt, die mir jemals begegnet war.
    Das Bild des beklagenswerten, trauernden alten Vaters, das vor meinem geistigen Auge gestanden hatte, zerbarst angesichts der Wirklichkeit in tausend Scherben. Lord Blacktower – denn nur er konnte es sein – war ein Hüne von einem Mann mit Schultern wie ein Ringer und einer struppigen roten Haarmähne. Obwohl es inzwischen ausgebleicht und mit grauen Strähnen durchzogen war, mußte es einmal geleuchtet haben wie ein Sonnenuntergang. Er wirkte viel zu jung, um der Großvater eines Mannes jenseits der Dreißig zu sein, bis man sich sein Gesicht näher ansah. Es war von tiefen Falten durchfurcht wie ein Stück sonnenverdorrte Erde – und man konnte wilde Leidenschaft und einen ungesunden Lebenswandel darin lesen.
    Sein plötzliches Erscheinen und sein rücksichtslos herrisches Auftreten ließen uns alle einen Moment lang erstarren. Seine Augen schweiften durch den Raum. Mit kühler Gleichgültigkeit glitt sein Blick über die Männer hinweg und blieb schließlich an mir hängen. Er zog elegant den Hut und verbeugte sich mit einer Anmut, die ich von einem so massigen Mann nie erwartet hätte. »Madam! Ich entschuldige mich vielmals für diese Störung. Darf ich mich vorstellen? Ich bin Franklin Lord Blacktower. Habe ich die Ehre mit Mrs. Radcliffe Emerson?«
    »Äh … ja«, erwiderte ich.
    »Mrs. Emerson!« Auch wenn er lächelte, wirkte er nicht einnehmender als vorhin, denn seine Augen blieben kalt und undurchdringlich wie persische Türkise. »Schon lange freue ich mich auf das Vergnügen, Sie kennenzulernen.«
    Mit würdevollen, wiegenden Schritten kam er auf mich zu und hielt mir die Hand hin. Ich reichte ihm meine und machte mich schon auf einen knochenzermalmenden Griff gefaßt. Doch statt dessen hob er meine Finger an die Lippen und drückte einen geräuschvollen, langen und feuchten Kuß darauf. »Hmmm«, murmelte er. »Ihre Photographien werden Ihnen nicht im mindesten gerecht, Mrs. Emerson.«
    Eigentlich rechnete ich damit, daß Emerson gegen diese Vorgänge Einspruch erheben würde, denn das Gemurmel und Geküsse nahm eine geraume Weile in Anspruch. Aber mein Gatte gab keinen Mucks von sich, weshalb ich meine Hand zurückzog und Lord Blacktower aufforderte, Platz zu nehmen. Dieser jedoch strafte den von mir angewiesenen Sessel mit Nichtachtung und ließ sich so heftig neben mir auf dem Sofa nieder, daß das gesamte Möbel erzitterte. Von Emerson war immer noch nichts zu vernehmen. Ebenfalls nicht von Mr. Forthright; der war wieder in den Sessel zurückgesunken, von dem er beim Eintreten seines Großvaters aufgefahren war.
    »Darf ich Ihnen eine Tasse Tee oder ein Glas Brandy anbieten, Lord Blacktower?« fragte ich.
    »Wie großzügig von Ihnen, Madam, aber ich habe Ihnen bereits genug Umstände gemacht. Wenn ich Ihnen nur kurz erklären darf, was der Grund meines ungehörigen Eindringens ist, werde ich mich umgehend entfernen – und auch meinen Enkel, dessen Anwesenheit die Ursache meines ungehörigen Betragens darstellt, obgleich sie keine Entschuldigung dafür ist.« Er würdigte Mr. Forthright keines Blickes, sondern fuhr, ohne Luft zu holen, fort: »Eigentlich wollte ich mich auf üblichem Wege an Sie und Ihren verehrten Herrn Gatten wenden. Nachdem ich heute nachmittag zufällig erfuhr, daß mein Enkel beschlossen hatte, mir zuvorzukommen, sah ich mich gezwungen, rasch zu handeln. Mrs. Emerson …« – Er beugte sich zu mir hinüber und legte mir die Hand aufs Knie. »Mrs. Emerson! Mein Sohn lebt! Finden Sie ihn. Bringen Sie ihn mir zurück.«
    Seine Hand war bleischwer und kalt wie Eis. Ich betrachtete die Venen, die sich wie dicke, blaue Würmer unter der Haut ringelten, und die rötlichgrauen Haarbüschel auf seinen Fingern. Und noch immer kein Einspruch von

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