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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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es für eine anständige Frau – selbst wenn sie so unkonventionell ist wie ich – ein Ding der Unmöglichkeit darstellt. Schon immer bin ich eine Vorkämpferin für bequeme Damengarderobe gewesen und folgte als eine der ersten Mrs. Bloomers skandalösem Beispiel. Mit den weiten, knielangen Hosen, die ich für gewöhnlich bei den Ausgrabungen trug, war ich den Radfahrkostümen wagemutiger Engländerinnen um einige Jahre voraus. Obwohl sich die Mode – sowohl beim Sport als auch im Alltag – änderte, blieb ich meinen Hosen treu. Ich ließ sie mir in vielen fröhlichen Farben anfertigen, auf denen man Sand und Staub nicht so sah wie auf Marineblau oder Schwarz. Kombiniert mit einer Bluse (natürlich langärmelig und hochgeschlossen), robusten schwarzen Stiefeln und einem breitkrempigen Hut ergab das ein Kostüm, das ebenso züchtig wie zweckmäßig war.
    Während der grauenhaften Zugfahrt hatte ich mir gestattet, die beiden obersten Knöpfe meiner Bluse zu öffnen und die Ärmel hochzukrempeln. Emerson hatte natürlich Jacke und Krawatte abgelegt, sobald wir Kairo verließen. Nun stand sein Hemd bis zur Taille offen, und er hatte die Ärmel bis über die Ellenbogen hochgerollt. Er trug keinen Hut. Nachdem er mir aus dem Zug geholfen hatte, atmete er tief die dampfige, stickige und sandgeschwängerte Luft ein und rief aus: »Die letzte Etappe! Bald sind wir da, Peabody, mein Liebling! Ist das nicht wunderbar?«
    Meine Kraft reichte nur noch, um ihn böse anzufunkeln.
    Wie dem auch sei, jedenfalls bin ich sehr widerstandsfähig, und nach einigen Stunden war ich in der Lage, seine Begeisterung zu teilen. Ein Trupp sudanesischer Soldaten – unter denen sich einige von Emersons Bekannten befanden – hatte unser Gepäck ausgeladen und uns geholfen, unsere Zelte aufzuschlagen. Dankend hatten wir das Angebot des bedauernswerten Garnisonskommandanten abgelehnt, sein bereits überfülltes Quartier zu teilen. Nachdem er uns versichert hatte, daß auf dem Dampfer, der am nächsten Morgen ablegen sollte, Platz für uns sei, wünschte er uns mit offensichtlicher Erleichterung Lebewohl und eine gute Reise. Als die Sonne rasch im Westen verschwand, schlenderten Emerson und ich Hand in Hand am Ufer entlang und genossen die Abendbrise und den strahlenden Sonnenuntergang. Schwarz und anmutig erhoben sich die Palmen von der goldenen und scharlachroten Pracht.
    Wir waren nicht allein. Ein Trüppchen neugieriger Dorfbewohner folgte uns. Immer wenn wir stehenblieben, hielten auch sie inne, kauerten sich auf den Boden und durchbohrten uns mit Blicken. Emerson zieht stets Bewunderer an, und ich hatte mich mehr oder weniger daran gewöhnt, obwohl es mir nicht gefiel.
    »Hoffentlich geht es Ramses gut«, sagte ich, während ich mich zu dem Zelt umdrehte, in dem er schlief, und dessen Umrisse zusehends in der Dunkelheit verschwammen. »Er war so ganz anders als sonst und hat fast kein Wort gesagt.«
    »Aber du meintest doch, er habe kein Fieber«, erinnerte mich Emerson. »Hör auf, dir Sorgen zu machen, Amelia. Die Zugfahrt war anstrengend, und selbst ein kleines Energiebündel wie Ramses spürt jetzt wahrscheinlich die Folgen.«
    Die Sonne versank am Horizont, und urplötzlich – wie immer in dieser Gegend – brach die Nacht herein. Am kobaltblauen Himmelsgewölbe leuchteten Sterne auf. Emerson legte sanft den Arm um meine Taille.
    Schon lange hatten wir nicht mehr Gelegenheit gehabt, eheliche Zärtlichkeiten – und seien sie auch noch so zurückhaltend – auszutauschen. Dennoch fühlte ich mich verpflichtet zu protestieren: »Sie beobachten uns, Emerson. Ich fühle mich wie ein armes Tier im Käfig, und ich weigere mich, vor Publikum aufzutreten.«
    »Pah!« entgegnete Emerson und führte mich zu einem großen Felsen. »Setz dich, meine liebe Peabody, und vergiß das Publikum. Es ist zu dunkel, als daß sie sehen könnten, was wir tun. Und falls sie doch etwas sehen sollten, werden sie nicht umhinkönnen, es erbaulich zu finden – wenn nicht sogar inspirierend. Das hier zum Beispiel …«
    Ich fühlte mich durchaus inspiriert. Ich vergaß die gaffenden Zuschauer, bis ein silberner Lichtstrahl das geliebte Gesicht beleuchtete, das sich so dicht an meinem befand. Der Mond war aufgegangen. »Ach, verdammt«, meinte ich und entfernte Emersons Hand von einer ganz besonders empfindlichen Stelle meines Körpers.
    »Aber es war doch ein erfrischendes Intermezzo«, kicherte Emerson. Er griff in die Tasche und holte seine Pfeife heraus.

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