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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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er sich auf und vollführte eine ausholende Handbewegung. Die Worte, die er an Ramses richtete, verstand ich nicht; entweder handelte es sich um eine unbekannte Sprache oder um bedeutungsloses Geschwätz und Zaubersprüche. Die Wirkung war allerdings dramatisch. Ein Schauder durchfuhr Ramses’ starre Gestalt. Seine Hände entspannten sich, und dunkle Flüssigkeit tröpfelte in den Kelch, den der Zauberer darunter hielt. Dann verschwand der Kelch in einer verborgenen Tasche des zerknitterten Gewandes, und Ramses drehte sich um.
    »Hallo, Mama. Hoffentlich hast du nicht zu lange warten müssen.«
    Ich brachte es fertig, mir so lange eine Antwort zu verkneifen, bis ich die langwierigen Abschiedszeremonien – erst mit den Damen und dann mit dem Scheich – hinter mir hatte. Letzterer bestand darauf, uns höchstpersönlich zur Tür zu geleiten, die größte Ehre, die er uns überhaupt erweisen konnte. Erst als wir auf der staubigen Straße standen und sich die Tür hinter uns geschlossen hatte, sprudelten die Worte aus mir heraus. Ich war ausgesprochen aufgebracht, und Emerson mußte mich bitten, innezuhalten und den Vorfall mehrere Male zu schildern, bis er überhaupt begriff, was geschehen war.
    »Was für ein verdammte Mumpitz!« rief er aus. »Was hast du dir dabei gedacht, Ramses, dich an so etwas zu beteiligen?«
    »Es wäre unhöflich gewesen abzulehnen«, antwortete Ramses. »Den Damen lag so viel daran.«
    Emerson brach in Gelächter aus. »Du entwickelst dich ja zu einem richtiggehenden Kavalier, mein Sohn. Aber du mußt noch lernen, daß es nicht immer klug und manchmal sogar gefährlich ist, den Wünschen der Damen nachzugeben.«
    »Ich muß sagen, du nimmst die Angelegenheit ziemlich leicht, Emerson«, schalt ich.
    »Meiner Ansicht nach hat sich Ramses eher von Neugier als von Ritterlichkeit zu diesem Experiment hinreißen lassen«, erwiderte Emerson, immer noch kichernd. »Denn die Neugier ist seine vorherrschende Charaktereigenschaft, und daran wirst auch du nie etwas ändern können. Du solltest dankbar sein, daß dieses Abenteuer – anders als so viele andere – kein böses Ende genommen hat.«
    »Hoffentlich hast du recht«, murmelte ich.
    »Offenbar hat er nur schmutzige Hände davongetragen«, fuhr Emerson fort, wobei er Ramses’ ausgestreckte Handflächen musterte. Sie waren dunkel verfärbt und immer noch feucht. Ich zog ein Taschentuch heraus und fing an, daran herumzuwischen. Die Farbe ließ sich leichter entfernen als vermutet, doch der seltsame Gestank von vorhin stieg mir wieder in die Nase. Ich warf das Taschentuch weg. (Ein zahnloser Bettler stürzte sich darauf.)
    Als wir weitergingen, begann Emerson, der durchaus selbst zur Neugier neigt, Ramses über sein Erlebnis auszufragen. Ramses erwiderte, es sei höchst interessant gewesen, und behauptete, die ganze Zeit bei vollem Bewußtsein gewesen zu sein und alles gehört zu haben, was gesprochen wurde. Allerdings seien seine Antworten auf die Fragen des Weissagers ohne sein Zutun über seine Lippen gekommen, als habe ein anderer an seiner Stelle gesprochen. »Es ging hauptsächlich um Kinder«, erklärte er ernsthaft. »Männliche Kinder. Er versprach allen Damen viele Söhne. Sie machten einen zufriedenen Eindruck.«
    »Ha«, bemerkte ich.
     
    Die nächste Etappe unserer Reise legten wir mit der Bahn zurück; es war die Route zwischen Haifa und Kerma, die man in außergewöhnlicher Geschwindigkeit ausgebaut hatte. So mußten wir nicht die Felsen des Zweiten und Dritten Katarakts überwinden. Jedoch zehrte dieser Teil der Fahrt sogar an meinen Kräften. Uns waren die besten Abteile zugestanden worden – in einem verbeulten, heruntergekommenen Waggon, der den Kosenamen »gelbe Maria« trug. Er war ursprünglich für Ismail Pasha gebaut worden. Doch seitdem war der Zahn der Zeit nicht untätig geblieben; der Großteil der Fensterscheiben fehlte, und in scharfen Kurven oder an steilen Hängen schwankte und ratterte das ganze Gefährt so heftig, daß ich schon fürchtete, es würde entgleisen. Zudem war die Lokomotive alt und in schlechtem Zustand. Wehender Sand und Überhitzung machten häufige Aufenthalte nötig, um etwas zu reparieren. Als wir unser Ziel endlich erreichten, hatte Ramses eine leicht grünliche Gesichtsfarbe angenommen, und meine Muskeln waren so steif, daß ich mich kaum rühren konnte.
    Emerson hingegen war äußerst fidel. Männer haben es um so vieles leichter als Frauen: Sie können sich in einer Weise entkleiden, wie

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