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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Schneidersitz einander gegenüber auf einem kleinen Teppich. Ein kleines Feuer knisterte fröhlich; in einiger Entfernung war der helle Schein eines größeren Feuers zu sehen. Ich hörte vergnügtes Stimmengewirr, und der Duft des Abendessens stieg mir in die Nase. Emerson sprang auf, geleitete mich zu einem Stuhl und drückte mir ein Glas in die Hand.
    Die kühle Abendbrise liebkoste meine feuchten Haarsträhnen. Am Himmelsgewölbe strahlten Sterne, die die Pyramiden in einen geheimnisvollen Schimmer tauchten. Ich fühlte mich wie eine Königin auf dem Thron, von knieenden Höflingen umgeben, schlürfte meinen Whisky und ließ die Verlockungen der Wüste auf meine Sinne einwirken. Und als Emerson seufzend feststellte: »Ach, meine liebe Peabody; es kann im Leben nichts Zauberhafteres geben als das hier«, konnte ich nicht umhin, ihm zuzustimmen.
     
    Am nächsten Morgen fertigten wir Pläne der Pyramiden an. Um ihre ursprünglichen Ausmaße, soweit möglich, zu ermitteln, waren umfangreiche Grabungsarbeiten vonnöten. Doch, wie Emerson betonte, bestand unser vorrangiges Ziel darin, Aufzeichnungen zu machen. Da das Graben die größte Leidenschaft meines geliebten Emerson ist, war das ein Anzeichen für sein ehrliches Interesse an der Wissenschaft, das ihn von Schatzsuchern unterschied. Nachdem wir die Ruinen mit Lepsius’ Plänen aus dem Jahr 1845 verglichen hatten, mußte ich zu meinem Entsetzen feststellen, daß die Bauwerke innerhalb eines halben Jahrhunderts stark verfallen waren. Emerson, der am Fundament der am besten erhaltenen Pyramide die Spuren kürzlicher und hastiger Ausgrabungen fand, gab Budge die Schuld an dieser Verirrung. Aber wie ich ihm sagte, hatte Budge in dieser kurzen Zeit gar keinen so großen Schaden anrichten können. Auch die Zeit und die Begehrlichkeit der Dorfbewohner mußten das ihre dazu beigetragen haben.
    Aus diesen Dörfern, die verstreut am Flußufer lagen, holten wir uns unsere Arbeiter. Und da wir, was die Organisation von Ausgrabungen betraf, alte Hasen waren, hatten wir bald eine gute Methode entwickelt. Die Männer wurden in drei Gruppen aufgeteilt und arbeiteten unter Emersons, meiner und Ramses’ Aufsicht. Ich muß zugeben, daß Ramses eine große Hilfe war. Allerdings konnte ich es bald nicht mehr ertragen, wie Emerson sich selbst auf die Schulter klopfte, weil er darauf bestanden hatte, daß der Junge uns begleitete. Ramses war natürlich in seinem Element. Es war amüsant mitanzuhören, wie er mit schriller Stimme Befehle in seinem äußerst umgangssprachlichen Arabisch rief. Auch sein Nubisch wurde immer fließender. Seine sprachlichen Fähigkeiten beeindruckten die Männer sehr, denn zuerst hatten sie ihn mit der gleichen belustigten Nachsicht behandeln wollen, die sie ihrem eigenen Nachwuchs entgegenbrachten.
    Am Ende der Arbeitswoche hatten wir einen ziemlich guten Eindruck vom Grundriß des Geländes gewonnen. Einst mußte eine Pyramide von beachtlicher Größe das Gebiet überragt haben; inzwischen war sie völlig in sich zusammengestürzt. Deshalb waren zusätzliche Grabungen nötig, um ihre ursprüngliche Größe zu bestimmen. Davor waren in einem groben Halbkreis weitere Pyramiden angeordnet, südöstlich davon befand sich eine Reihe von zehn weiteren Pyramiden. Lepsius’ Plan zeigte einige kleinere, formlose Gesteinshaufen westlich und nördlich der großen (!) Pyramide. Andere waren wahllos dazwischen verstreut. Wir fanden zehn zusätzliche Haufen, die nicht auf seiner Karte eingezeichnet waren. Dann sahen wir uns gezwungen, die Arbeiten für den unvermeidlichen Ruhetag zu unterbrechen. Da unsere Männer Moslems waren – die meisten gehörten der Hanafi-Sekte an –, war der Freitag ihr Tag des Herrn. Eigentlich wollte Emerson die Arbeiten ohne sie fortsetzen, und er wies mich völlig richtig darauf hin, daß die Untersuchung selbst nicht mehr als drei Personen in Anspruch nehmen würde. Doch ich überzeugte ihn davon, daß auch wir einen Ruhetag benötigten – oder zumindest eine kleine Pause, um die Garnison und den nahe gelegenen Markt zu besuchen. Wir brauchten neue Vorräte, mehr Kamele und, wenn möglich, weitere Arbeiter.
    Wir hatten unseren Männern angeboten, bereits am Donnerstagabend freizunehmen. Aber sie hatten unter großem Füßescharren und mit Seitenblicken dankend abgelehnt. Sie fürchteten sich vor Geistern und Gespenstern, die, wie sie alle wußten, bei Dämmerung ihr Unwesen trieben. Also machten sie sich erst am folgenden Morgen in

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