Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt
die übliche Zeit überschritten, um zu beweisen … Nun, man fragt sich, was er eigentlich damit beweisen wollte. Aber so sind die Männer nun einmal, und eine Frau kann nichts weiter tun, als diese kleinen Fehler einer Spezies, die ansonsten einen durchaus zufriedenstellenden Teil der Menschheit ausmacht, mit Fassung zu tragen.
Mr. Forthright und ich saßen vor dem Zelt und erfreuten uns am Knistern und den Farben unseres kleinen Feuers, als Emerson mit einer genuschelten Begrüßung an uns vorbeistürmte und im Zelt verschwand. Ich hatte ihm fürsorglich eine Laterne angezündet, doch er warf sie sofort um und tat, was immer er zu erledigen hatte, in völliger Dunkelheit und relativ schweigend. Nur das Plätschern von Wasser und ein gelegentlicher Fluch verrieten seine Anwesenheit. Aber als er endlich wieder herauskam, war er offenbar besserer Stimmung. Im Vorbeigehen tätschelte er mich verstohlen und nickte Mr. Forthright tatsächlich zu. Unsere abendlichen Waschungen warfen zwar einige Schwierigkeiten auf, da jeder Tropfen Wasser aus dem über anderthalb Kilometer entfernten Nil geholt werden mußte. Überdies mußte man das Wasser auch noch filtern, ehe man es benutzen konnte. Dennoch stellte körperliche Reinlichkeit in meinen Augen keinen Luxus, sondern eine Notwendigkeit dar und hob außerdem die Stimmung. Ich muß nicht hinzufügen, daß das meine Idee war. Emerson hätte die ganze Woche lang nicht einmal das Hemd gewechselt – falls er überhaupt eines angezogen hätte.
»Wir haben auf dich gewartet, Liebling«, sagte ich freundlich. »Auch wenn es schon spät ist, bleibt uns meiner Ansicht nach immer noch Zeit für einen Schluck unseres üblichen Getränks. Wir sollten einen Toast auf Mr. Forthright ausbringen und auf die Gefahren, die er überlebt hat.«
Emerson füllte die Gläser und reichte sie herum. Ramses’ ausgestreckte Hand ignorierte er. Ramses gab die Hoffnung nie auf, daß Emerson ihn einmal aus purer Zerstreutheit in unser abendliches Ritual mit einbeziehen würde – nicht, wie ich glaube, weil er den Geschmack von Whisky mochte, sondern weil Alkoholkonsum bedeutete, daß man erwachsen war und mit seinen Eltern auf einer Stufe stand.
»Und welche Gefahren hat Mr. Forthright überlebt?« höhnte Emerson.
»Nur die üblichen, wenn man in dieser Gegend unterwegs ist«, erwiderte der junge Mann bescheiden. »Mrs. Emerson hat mich überzeugt, daß der Überfall heute nachmittag dazu zu zählen ist. Vielleicht ein erboster Gefolgsmann des verstorbenen und nicht betrauerten Mahdi.«
»In dieser Gegend gibt es eine ganze Menge erboster Menschen«, sagte Emerson. »Und ich gehöre auch dazu. Zweifellos haben Sie Ihre Anwesenheit zu Mrs. Emersons Zufriedenheit erklären können; sie ist eine weichherzige Frau mit einer besonderen Schwäche für romantische junge Esel. Mich werden sie nicht so leicht überzeugen können, Mr. Forthright.«
»Ich verstehe, daß Sie verärgert sind, Herr Professor«, fing Forthright an. »Gleich nach meiner Ankunft in Sanam Abu Dom stellte ich fest, daß sich Mr. Budges Version meines Vorhabens bereits in der Garnison herumgesprochen hatte. Es ist ein Jammer! Ich hätte nie geglaubt, daß ein so angesehener Mann so böswillig sein kann. Aber vielleicht wurde er auch nur falsch informiert.«
»Er wurde nicht falsch informiert«, knurrte Emerson.
»Nun, Sie können sicher sein, daß ich die Angelegenheit sofort klarstellte. Bei meiner Ehre, Herr Professor, er oder sein Informant hatten meine Bemerkungen und meine Motive völlig falsch verstanden. Ich beabsichtige nicht, Sie zu überzeugen, für eine hoffnungslose Sache Ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Ich wollte nur vor Ort sein, falls … Sie hatten gesagt, wenn weitere Informationen ans Licht kämen …« Die Erklärung, die so flüssig angefangen hatte, verstummte. Dann sagte Mr. Forthright einfach: »Wenn es ein Risiko einzugehen gilt, werde ich derjenige sein, der es auf sich nimmt. Haben Sie etwas gehört oder erfahren?«
»Nein, nichts«, antwortete Emerson.
»Ich verstehe.« Der junge Mann seufzte. »Mein Großvater ist inzwischen sehr gebrechlich. Ich glaube, nur die Hoffnung hält ihn am Leben.«
»Mr. Forthright …«, setzte ich an.
»Bitte, Mrs. Emerson, machen Sie mir die Ehre und nennen Sie mich Reginald – oder Reggie, wenn Ihnen das lieber ist. So heiße ich bei meinen Freunden, und ich hoffe, Sie dazuzählen zu dürfen.«
»Das dürfen Sie«, erwiderte ich gerührt. »Emerson, Reggie hat
Weitere Kostenlose Bücher