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Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt

Titel: Amelia Peabody 06 : Verloren in der Wüstenstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Ramses stürzte sich auf uns.
    Als kleines Kind hatte er seine Zuneigung stets überschwenglich kundgetan, doch diese Äußerungen waren in den letzten Jahren maßvoller geworden. Vermutlich glaubte er, dafür sei er jetzt zu alt. Bei dieser Gelegenheit aber vergaß er seine Würde und warf sich so schwungvoll auf mich, daß Emerson sich gezwungen sah, ihn zu tadeln. »Sei bitte etwas sanfter, Ramses. Mama ist noch schwach.«
    »Schon gut, Emerson«, meinte ich etwas gepreßt, da Ramses meinen Hals mit einem Würgegriff umklammert hielt. Auf den Befehl seines Vaters hin ließ er los, richtete sich auf und blieb, die Hände auf dem Rücken, stehen. Sein magerer, kleiner Körper war bis zur Taille nackt und braun wie der eines Ägypters; ein kurzer Rock aus weißem Leinen reichte ihm bis zur Mitte der Oberschenkel und wurde von einer breiten, grell scharlachroten Schärpe zusammengehalten. Doch am bemerkenswertesten war seine Frisur. Sein Haar, eines seiner ansehnlichsten Merkmale, weil es weich und schwarz war wie das seines Vaters, war während der Reise ziemlich gewachsen. Nun war es bis auf eine geflochtene und mit Bändern geschmückte Locke auf der Seite verschwunden. Der Rest seines Kopfes war so kahl wie ein Ei.
    Ein Schrei mütterlichen Entsetzens entrang sich meiner Kehle. »Ramses! Deine Haare – deine schönen Haare!«
    »Diese Veränderung hat einen Grund, Mama«, sagte Ramses. »Es ist so schön … so wunderschön … daß es dir jetzt besser geht, Mama.«
    Obwohl seine Züge unbewegt blieben, bemerkte ich, da ich sein Gesicht gut kannte, wie seine Lippen zitterten und seine Augen feucht wurden.
    Ehe ich noch einmal auf Ramses’ Kahlkopf zu sprechen kommen konnte, hob sich einer der Vorhänge an der Schmalseite des Zimmers, und zwei Männer kamen herein. Sie trugen dieselben schlichten kurzen Röcke wie Ramses, doch ihre militärische Haltung und die langen Eisenspeere in ihrer Hand verrieten ihren Beruf ebenso, wie es eine Uniform getan hätte. Sie trennten sich, stellten sich einander gegenüber auf, marschierten elegant auf der Stelle wie Angehörige der königlichen Garde und stießen die Speere krachend auf den Boden. Ihnen folgten zwei Gestalten, die von Kopf bis Fuß in Weiß gekleidet waren. Wie die Soldaten stellten sie sich zu beiden Seiten der Tür auf. Nach den beiden geheimnisvoll verschleierten Gestalten kamen zwei weitere Männer. Auch sie trugen kurze Röcke, doch ihr prächtiger Schmuck wies auf ihren hohen Rang hin. Einer von ihnen war erheblich älter als der andere. Sein Haar war schlohweiß, und um seine mageren Schultern lag ein langer Umhang. Aus seinem faltigen Gesicht funkelten helle Augen, die er mit wacher und doch kindlicher Neugier auf mich richtete.
    Eine kurze Pause entstand; dann verbeugen sich alle sechs – Soldaten, Adlige und verhüllte Gestalten –, und ein Mann betrat majestätischen Schritts den Raum.
    Es war Kemit – aber wie sehr hatte er sich verändert. Sein markantes, kluges Gesicht, seine hochgewachsene, wohlgeformte Gestalt sahen immer noch aus wie zuvor. Wie gut gebaut er war, bemerkte ich erst jetzt, da er, wie die anderen Männer, nur einen kurzen Rock trug. Allerdings war seiner fein gefältelt, und der Gürtel, der seine schlanke Taille umschloß, war mit Gold und funkelnden Steinen verziert. Um seine Schultern lag ein Kragen aus eben demselben kostbaren Material, und in seinem schwarzen Haar schimmerte ein schmales, goldenes Band.
    »Kemit!« rief ich aus, während ich diese Erscheinung aus längst vergangenen Tagen entgeistert anstarrte. Der werte Leser hat – genau wie ich – sicherlich bereits erkannt, daß es sich um die Kleidung eines Adligen aus dem Ägypten der Pharaonenzeit handelte.
    Emerson, der immer noch meine Hand umfaßt hielt, erhob sich. »Das war sein Deckname, Peabody. Darf ich dir Seine Hoheit Prinz Tarekenidal vorstellen.«
    Der Titel paßte. Seine Haltung war schon immer majestätisch gewesen, und ich fragte mich, warum ich so lange nicht geahnt hatte, daß er kein gewöhnlicher Einheimischer war. Ich war mir schmerzlich des Umstandes bewußt, daß ich keinen sehr würdevollen Anblick bot: Immer noch lag ich wie ein Kind in Emersons Armen und war überdies recht salopp gekleidet. Also tat ich das beste, was unter diesen Gegebenheiten möglich war. Ich neigte den Kopf und sagte: »Eure Hoheit, ich bin Euch sehr dankbar, daß Ihr mein Leben und das meines Gatten und meines Kindes gerettet habt.«
    Tarekenidal hob die Hände und

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