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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seine Ohren lockte –, war fast unwiderstehlich, doch ich kämpfte sie nieder. Meine Würde verbat mir, mich dabei erwischen zu lassen, daß ich ihn wie ein liebeskrankes Mädchen heimlich beobachtete.
    Als ich ohne stehenzubleiben weiterging, entdeckte ich in der Dunkelheit neben Emersons Fenster eine Bewegung; eine leise Stimme murmelte einen arabischen Gruß, den ich mit einer Geste erwiderte. Ich konnte nicht erkennen, um welchen der Männer es sich handelte; in der Finsternis ähnelten sich ihre Umrisse wie ein Ei dem anderen, denn sie trugen alle dieselben Turbane und flatternden Gewänder. Sie waren treue und tapfere Männer und ihrem Herrn offenbar ergeben. Zweifellos bezahlte er sie gut. (Eigentlich wollte ich nicht zynisch werden; aber kein vernünftiger Mensch kann jemandem treu sein, der ihn unterbezahlt.)
    Ich setzte meinen Weg fort und wurde von weiteren unkenntlichen Schatten gegrüßt. Der Mann, der neben meinem Fenster kauerte, rauchte; das glimmende Ende seiner Zigarette fuhr wie ein riesiges Glühwürmchen hervor, als er die Hand erst an die Stirn und dann ans Herz hob.
    Die Fenster der Kabinen, in denen die beiden jungen Männer schliefen, waren dunkel. Aus Renés Kajüte hörte ich ein tiefes, grollendes Schnarchen, unpassend für einen so zarten und hübschen jungen Burschen. Auch Berthas Fenster war dunkel. Kein Wunder, daß sie müde war, denn der Marsch zur Ausgrabungsstätte und zurück war für ein Mädchen aus der Stadt, das es nicht gewohnt war, sich viel zu bewegen, sicherlich sehr anstrengend. Ich erkannte den Mann, der ihr Fenster bewachte; er war der größte und stärkste der ganzen Mannschaft. Cyrus wollte offenbar kein Risiko eingehen.
    Ich warf einen Blick in sein Fenster, als ich vorbeischlenderte. Es war ebenfalls dunkel. Vielleicht saß er ja noch im Salon, dessen Fenster auf das Oberdeck hinausging.
    Ich hätte meinen Mondscheinspaziergang nicht unbedingt allein machen müssen. Da mich außer den schweigenden Wächtern niemand sah, gestattete ich mir ein Lä cheln und schüttelte den Kopf. Dr. Schadenfreudes Behandlung hatte Cyrus nicht von seinen romantischen Schwächen geheilt. Und da ich auch so etwas wie eine Amateurpsychologin bin, fragte ich mich, ob die Neigung des rauhbeinigen Amerikaners, sich stets in die falschen Damen zu verlieben, nicht einen Grund hatte. Vielleicht hatte er ja unbewußt den Wunsch, Junggeselle zu bleiben.
    Trotz meiner Bescheidenheit kam ich nicht umhin, die zunehmend zärtlichen Blicke, die er mir schenkte, und die ritterliche Haltung, die er mir gegenüber an den Tag legte, zu bemerken. Allerdings war ich mir darüber im klaren, daß diese Annäherung ausschließlich auf Freundschaft und auf dem ungehobelten Kavaliersgehabe beruhte, für das Amerikaner schließlich bekannt sind. Jede Dame in Bedrängnis im Alter zwischen achtzehn und achtundvierzig hätte dasselbe heldenhafte Betragen auf den Plan gerufen. Cyrus wußte, daß er bei mir nicht zu befürchten hatte, im Hafen der Ehe zu landen. Nicht nur, solange Emerson lebte, sondern auch für alle Ewigkeit.
    Hätte ich, nachdem ich Gattin eines solchen Mannes gewesen war, jemals einen anderen heiraten können? Das Mondlicht brachte mich auf trübsinnige Gedanken, eine Wirkung, die Mondlicht immer hat, wenn man sich ihm ohne Gesellschaft aussetzt. Ich begab mich in meine Kabine, setzte die Telegramme an Gargery und Walter auf, schrieb einen strengen Brief an meinen Sohn und ordnete die Notizen, die ich mir an diesem Tag während der Ausgrabungen gemacht hatte. Als ich damit fertig war, fielen mir fast die Augen zu. Trotzdem verabreichte ich meinem Haar die üblichen hundert Bürstenstriche, nahm ein langes (kaltes) Bad und cremte meine Haut ein (das geschah nicht aus Eitelkeit, sondern ist in Ägypten, wo Sonne und Sand schreckliche Auswirkungen auf den Teint haben, unbedingt notwendig). Ich hatte gehofft, mich durch ausgiebige Beschäftigung am Träumen hindern zu können. Allerdings nützte das nichts. Und ich bin mir sicher, den Inhalt dieser Träume dem einfühlsamen Leser nicht mitteilen zu müssen.
    *
    Für eine Frau, die wie ich vor Lebenskraft strotzt, bleibt eine unruhige Nacht ohne Folgen. Also erhob ich mich frisch und hellwach und bereit, mich den Widrigkeiten zu stellen, die gewiß auf mich zukommen würden. Emerson hatte sich Zeit gelassen und gehofft, unsere Befürchtungen zu zerstreuen, indem er sich seinen archäologischen Pflichten widmete. Doch er ist kein sehr geduldiger

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