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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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es formuliert hätte), die nötig war, um die unzusammenhängenden Teile des Rätsels zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen.
    Nichts ist so bedrückend, als wenn man von einem Freund verraten wird. Einige von Kevins Artikeln hatten unsere Freundschaft auf eine arge Zerreißprobe gestellt, doch sie hatten schlimmstenfalls Emersons und meinen guten Ruf gefährdet. Doch diesmal lag die Sache ganz anders – ein kaltblütiger Anschlag auf Emersons Leben und seine körperliche und geistige Gesundheit. Kevins sommersprossiges Gesicht stand vor meinem geistigen Auge, seine leuchtend blauen Augen, sein grellroter Haarschopf. Ich hörte seine sanfte irische Stimme die Komplimente wiederholen, an deren Ehrlichkeit ich niemals ge zweifelt hatte.
    Und ich würde auch jetzt nicht an ihnen zweifeln!
    Nachdem sich meine Erregung gelegt hatte, machte ich mir klar, daß Kevin nicht der einzige war, der über das nötige Wissen verfügte, um dieses Rätsel zu lösen. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, daß journalistische Sensationslust – und die Geschichte von der Verlorenen Oase war ganz sicher eine solche Sensation – einen Mann dazu bringen konnte, seine Freunde und das eigene Naturell zu verraten.
    Trotzdem war die Gefahr, die sein journalistischer Spürsinn für uns darstellte, nicht von der Hand zu weisen. Ich wußte, es war mir nicht gelungen, Cyrus zu überzeugen, daß Emersons Geisteszustand geheimgehalten werden mußte. Und das, obwohl die Gründe, die ich dafür angeführt hatte, völlig vernünftig waren. Warum sollte ich unsere Angehörigen unnötig in Angst und Sorge stürzen? Warum sollte ich ihnen einen Anlaß geben, mit Kind und Kegel nach Ägypten zu eilen und mich in den Wahnsinn zu treiben? Trotzdem wußte ich, ebenso wie mein einfühlsamer und verständnisvoller Freund, daß das nicht der einzige Grund war.
    Ich beschloß, nicht weiter darüber nachzudenken. Am wichtigsten war es, Kevin von Emerson fernzuhalten. Ich berechnete die Dauer der Reise. Wenn er den schnellsten Weg genommen und sich keine Pause gegönnt hatte, war er inzwischen vielleicht sogar schon in Kairo. Würde er schlau genug sein, sich nach unserem augenblicklichen Aufenthaltsort zu erkundigen, statt sich, wie wir, zuerst nach Luxor aufzumachen? Einige unserer Archäologenfreunde wußten, daß wir nach Amarna gefahren waren. Wir hatten uns an sie wenden müssen, um die Ausgrabungsgenehmigungen zu bekommen. Monsieur Masperos freundliche Anteilnahme und sein beachtlicher Einfluß waren uns eine große Hilfe gewesen, um den langen Verwaltungsweg abzukürzen. Und er war nicht der einzige, der von unseren Plänen wußte. Wenn Kevin sofort nach Amarna reiste, konnte er in wenigen Tagen hier sein. »Es ist genug, daß ein jeglicher Tag seine eigene Plage hat«, erinnerte ich mich. Wenigstens war ich jetzt gewarnt. Ich würde mich um Kevin kümmern, wenn er – ich war sicher, daß es »wenn« und nicht »falls« hieß – hier auftauchte.
    Der Zauber der milden ägyptischen Nacht verfehlte nicht seine Wirkung auf mich. Ich hatte mich beruhigt.
    Der Mond war im Zunehmen. Bald würde er voll sein, wie eine reflektierende Lichtkugel über den Felsen schweben und ihr bleiches Kalkgestein in silberne Helle tauchen. Als ich über das Deck schlenderte, mischte sich das Rascheln meines Rockes mit dem sanften Plätschern des Wassers und dem Rauschen in den Palmen, die sich im Wind regten. Ich dachte an den letzten Vollmond, den ich vom Deck eines anderen Bootes aus beobachtet hatte.
    Vor weniger als einem Monat … Mit welch hochfliegenden Hoffnungen, mit welch atemloser Vorfreude hatte ich sein strahlendes Rund betrachtet! Emerson war bei mir gewesen; mit seiner starken Hand hatte er die meine gehalten, den Arm um meine Taille gelegt. Nun war ich allein, und er war weiter von mir entfernt als jemals zuvor, obwohl uns nur wenige Meter trennten.
    Die Fenster der Schlafkajüten gingen aufs Deck hinaus.
    Aus seiner kam noch Licht, und die dünnen Gazevorhänge boten keinen Sichtschutz. Als ich im Vorbeigehen einen Blick hineinwarf, sah ich ihn an einem Tisch sitzen, der mit Büchern und Papieren übersät war. Er wandte mir den Rücken zu, den Kopf hatte er über die Arbeit gebeugt. Obwohl er das Klappern meiner Absätze gehört haben mußte, sah er nicht auf. Die Versuchung, mich zu bücken und mich an diesem so vertrauten und geliebten Anblick zu erfreuen – die glatten Muskeln seiner breiten Schultern, das dichte zerzauste Haar, das sich um

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