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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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daß die Fenster sperrangelweit offenstanden. Das Zimmer selbst war dunkel, und zuerst vermochte ich nicht zu erkennen, was dort vor sich ging. Rasche Bewegungen, keuchende Laute und Schreie des Schmerzes und der Anstrengung waren alles, was ich ausmachen konnte. Dann aber näherten sich die Kämpfer – denn um solche handelte es sich – dem Fenster. Der Schürhaken entglitt meiner erstarrten Hand, als ich die beiden erblickte.
    Bei der einen Person handelte es sich um einen Mann, einen ungeschlachten Kerl mit einer kurzen Jacke aus grobem Baumwollstoff und einer Mütze, die er tief in die Stirn gezogen hatte. Er hielt einen Knüppel oder dicken Stock in der Hand, mit dem er die Schläge abwehrte, die auf ihn niedergingen …
    Zweifellos wißt Ihr bereits, wer die andere Person war. Die Nachthaube war ihr vom Kopf gerutscht und hing an den Bändern herunter; der Zopf fiel ihr über die Schulter. Ihr Gesicht zeigte einen wilden Ausdruck, der sich völlig von ihrer sonst so sanften Miene unterschied. Und das Instrument, mit dem sie den sich duckenden Schurken bearbeitete, schien mir (und ich hatte tatsächlich recht) ein Sonnenschirm zu sein.
    Ich faßte mich wieder, hob den Schürhaken auf und eilte, um ihr beizustehen. Meine Hilfe hätte sie nicht benötigt, aber der Schurke wäre ihr möglicherweise entwischt, wenn ich ihm nicht ein Bein gestellt hätte. Gemeinsam überwältigten wir ihn. Tante Evelyn riß sich die Schärpe vom Morgenrock und bat mich, ihm die Arme zu fesseln.
    Genau an dieser Stelle betrat Onkel Walter die Szene, gefolgt von Gargery und Bob, die beide eine Laterne bei sich trugen. Sie hatten alles abgesucht, um herauszufinden, wo der Kampf stattfand. (Das Wort ›absuchen‹ vermittelt einen ungenauen Eindruck, denn aus Onkel Walters Erscheinung konnte man zweifelsfrei schließen, daß er so schnell gerannt war, wie er konnte, wenngleich mit wenig Erfolg. Genauso wie Papa schätzt er es nicht, aus dem Schlaf gerissen zu werden, und kommt nur recht langsam in Schwung.)
    Bob zündete die Lampen an, und Gargery übernahm es, unserem Einbrecher die Arme und Beine zu fesseln. Das geschah nach meinen Anweisungen. Leider muß ich sagen, daß Onkel Walter völlig den Kopf verlor. Ich habe nie zuvor erlebt, daß er sich so sprunghaft verhielt. Erst packte er Tante Evelyn und schüttelte sie sehr heftig. Dann umarmte er sie so leidenschaftlich, wie ich es noch nie … (Ein weiterer Satz war ausgestrichen; ich konnte mir denken, wie er gelautet haben mußte) … bei anderen gesehen habe. Dann schüttelte er sie wieder. Seltsamerweise schien das Tante Evelyn nichts auszumachen.
    Ich habe kein Papier mehr und kann nicht weiterschreiben, weil Onkel Walter mir bis auf weiteres Zimmerarrest verordnet hat. Also muß ich mich kurz fassen. Ellis erklärte, sie wäre auf dem Weg zu einem Freund gewesen, als plötzlich der Löwe vor ihr stand. (Rose sagt, Menschen wie Ellis gelingt es, wo immer sie auch hingehen, Freunde zu finden. Das ist eine liebenswerte Eigenschaft, meine ich.) Der Einbrecher behauptete, er habe nach Wertgegenständen gesucht. Inspektor Cuff hat ihn nach London überführen lassen. Inspektor Cuff ist ein sehr verschwiegener Mensch. Als er mit seinem Gefangenen abreiste, sagte er nur: »Ich kann Ihnen vermutlich anderswo mehr von Nutzen sein. Master Ramses, Sie werden zu gegebener Zeit von mir hören.« Was Tante Evelyn betrifft, so sagt sie, sie habe den Sonnenschirm bereits seit langer Zeit besessen. Ich habe nie gesehen, daß sie ihn bei sich trug. Er ähnelt Deinem, Mama, und ist sehr schwer und schlicht, keiner ihrer anderen kleinen, die mit Rüschen verziert sind. Ich frage mich, warum sie einen solchen Schirm besitzt, wenn sie nicht damit rechnet, ihn zu gebrauchen. Doch das ist ein anderes Thema, das wir zu einem späteren Zeitpunkt erörtern können.
    Mein Blatt sagt mir, daß ich zum Ende kommen muß. Euer Euch liebender Sohn Ramses.
    P.S.: Ich weiß, daß Papa sehr mit seinen Ausgrabungen beschäftigt ist, doch es würde mich sehr trösten, wenn er mir eigenhändig ein paar Zeilen schicken würde.
    Cyrus und ich saßen eine Weile schweigend da. Dann sagte er: »Entschuldigen Sie mich, Amelia. Ich bin gleich zurück.«
    Als er wiederkam, hatte er eine Flasche Brandy in der Hand. Ich nahm einen kleinen Schluck. Cyrus trank ein wenig mehr.
    »Ein Kommentar«, sagte ich, »wäre überflüssig. Nun wollen wir einmal Evelyns Version lesen.«
    Evelyn ging jedoch nicht auf die Ereignisse ein,

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