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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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britischer Gefühlskälte hielt. In Wirklichkeit zögerte ich feige, Ramses’ neueste literarische Ergüsse zu lesen, die wahrscheinlich ohnehin nur eine Reihe von Hiobsbotschaften enthielten, gegen die ich im Augenblick machtlos war. Wenn etwas Ernstes vorgefallen wäre, hätte Walter mir telegraphiert.
    Nach einem Essen, bei dem niemand außer Kevin großen Appetit zu haben schien, gingen wir auseinander. Emerson hatte nicht am Abendessen teilgenommen; ich schloß daraus, daß er mit Abdullah und den anderen Männern gespeist hatte. Auf meine Einladung hin folgte mir Cyrus in mein Zelt.
    In dem Päckchen befanden sich zwei Briefe aus Chalfont.
    Auf dem einen erkannte ich Evelyns zierliche, gestochen scharfe Handschrift und beschloß, ihn mir als Belohnung nach Ramses’ Schreiben aufzuheben – oder als Gegengift.
    Liebste Mama, liebster Papa. Leider muß ich Euch mitteilen, daß Gargery noch immer kein Held ist. Wir haben jedoch nunmehr eine weitere Heldin.
    Ich hätte nie gedacht, daß Tante Evelyn das Zeug dazu hat. Es war eine heilsame, wenngleich beschämende Erfahrung für mich und wird mich, wie ich hoffe, lehren, die falschen Klischeevorstellungen, die in unserer Gesellschaft über das Verhalten und den Charakter weiblicher Wesen verbreitet werden, noch entschiedener in Frage zu stellen. Ich hatte immer geglaubt, von solchen Vorurteilen frei zu sein, und mit Mama als Beispiel für untypisches Verhalten vor Augen hätte man das von mir auch erwarten dürfen. Wie seltsam der menschliche Geist doch funktioniert! Er scheint in der Lage zu sein, über jede Tatsache hinwegzugehen, die im Widerspruch steht zu seinen eigenen Bedürfnissen wie auch zu den vorgefaßten Meinungen, die so tief verankert und unbewußt festgefügt sind, daß sie nicht als irrational erkannt werden. Im kalten Licht der Vernunft betrachtet …
    Ehe ich die Seite umblätterte – die mit dem zuletzt zitierten Satz endete –, zwang ich mich zur Ruhe. Es hätte keinen Zweck gehabt, die Fassung zu verlieren, denn das Ziel meines Zorns befand sich außerhalb meiner Reichweite. Ramses mußte die Abhandlungen zur Psychologie gelesen haben, die zu studieren ich ihm strengstens untersagt hatte … Hatte ich das wirklich? Zumindest hatte ich es im Sinn gehabt, denn manche dieser Theorien waren viel zu schwer verdaulich für das unschuldige kindliche Gemüt. Ich war mir jedoch nicht sicher. Ramses Vorschriften zu machen, war eine zeitraubende Angelegenheit, und es war fast unmöglich, mit ihm Schritt zu halten, weil er sich immer wieder neue Abscheulichkeiten ausdachte.
    Als ich bemerkte, daß ich gedanklich abschweifte – so wie Ramses das getan hatte –, las ich weiter.
    … haben manche dieser Auffassung nicht eine Sekunde lang Bestand. In Wirklichkeit handelt es sich um nichts anderes als um undurchdachten Aberglauben. Doch woher stammen sie? Ich muß zugeben, darauf noch keine Antwort gefunden zu haben. Besonders verdrießlich ist es, sie in einem rationalen Verstand wie dem meinen – zumindest hielt ich ihn immer dafür – aufzuspüren.
    Ich würde diese Problemstellung gern mich Euch, liebste Mama und liebster Papa, erörtern, denn sie beschäftigt mich in hohem Maße. Doch vielleicht ist jetzt hierfür nicht der richtige Zeitpunkt, denn Ihr fragt Euch vermutlich bereits, welches besondere Ereignis mich zu diesen Überlegungen veranlaßt hat.
    Vielleicht erinnert Ihr Euch daran, daß ich in meinem letzten Brief den merkwürdigen Vorfall mit den Hunden schilderte, die des Nachts bellten. Da das Bellen das Äußerste war, was sie an Hilfe leisteten, beschloß ich – wie ich wahrscheinlich bereits erwähnt habe –, Schritte zur Anschaffung einer fähigeren Spezies vierbeiniger Wächter zu unternehmen. Ihr müßt wissen, mich beschlich die schreckliche Vorahnung …
    Ich wurde ebenfalls von einer solchen beschlichen. »O nein«, keuchte ich. »Was ist?« rief Cyrus, der kaum weniger aufgeregt war als ich selbst.
    … die schreckliche Vorahnung, daß wir nicht zum letztenmal einen nächtlichen Überfall erlebt hatten. Ich war mir gewiß, daß sich Onkel Walter unmöglich von der Notwendigkeit meiner Entscheidung überzeugen lassen würde. Daher mußte ich selbst zur Tat schreiten, und es war verdammt lästig, zu warten, bis alle sich zu Bett begeben hatten, bevor ich mich davonschleichen konnte, um den Löwenkäfig … (Mir versagte die Stimme) … den Löwenkäfig … aufzusperren … und ihn herauszulassen …
    »Herr im Himmel!« rief

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