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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Dir jedoch mit, weil mir noch ein weiterer, sehr bestürzender Gedanke in den Sinn gekommen ist. Daß dieser Mensch die Bekanntschaft mit Nefret nicht mehr pflegt, hat seinen Grund vielleicht in der Tatsache, daß er nicht mehr in England weilt. In Deinen letzten Briefen hast Du versucht, uns zu beruhigen, liebe Amelia, aber ich kenne Dich sehr gut und ich spüre zwischen Deinen Zeilen eine Förmlichkeit und Steifheit, die mir sagen, daß Du uns etwas verheimlichst. Ich möchte Dich keineswegs zu größerer Offenheit drängen, und ich weiß Deine zärtliche Zuneigung zu schätzen, die Dich zögern läßt, unsere Besorgnis zu vermehren. (Obgleich ich hinzufügen möchte, meine liebe Freundin und Schwester, daß aus Mutmaßungen häufig Befürchtungen erwachsen, die weitaus schlimmer sind als die Wahrheit.) Die Logik zwingt mich ferner zu folgender Schlußfolgerung: Wenn bereits die Kinder bedroht worden sind, müßt Ihr beide, Du und Radcliffe, in noch größerer Gefahr schweben. Bitte gebt auf Euch acht! Zügle Deinen Wagemut und stürze Dich nicht Hals über Kopf in jede Gefahr! Und versuche, Radcliffe zurückzuhalten – obgleich ich weiß, daß das keine leichte Aufgabe ist. Erinnere ihn daran, so wie ich Dich daran erinnere, daß es Menschen gibt, denen Eure Gesundheit und Sicherheit ebenso am Herzen liegt wie ihre eigene. An erster Stelle steht dabei
    Deine Dich liebende Schwester
    Evelyn.
    Tränen verschleierten mir den Blick, als ich die letzten Zeilen las. Wie sehr war ich vom Glück gesegnet, eine solche Liebe zu erfahren! Und wie sehr hatte ich Evelyn unterschätzt! Ramses’ Ausführungen über Vorurteile waren zwar nicht an mich gerichtet (zumindest nahm ich das an), doch alles, was er über sich geschrieben hatte, hätte ebensogut auf mich zutreffen können. Und dabei hätte es von allen Leuten ich am besten wissen müssen. Hatte ich denn nicht mit eigenen Augen gesehen, wie gelassen sich Evelyn der abscheulichen Mumie gestellt hatte? Hatte ich denn nicht gehört, wie sie auf ein Angebot eingegangen war, das ob seiner Widerwärtigkeit jede Faser meines Körpers erschaudern ließ – in der Hoffnung, damit jene retten zu können, die sie liebte? Ich hatte mich der Voreingenommenheit gegenüber meinem eigenen Geschlecht ebenso schuldig gemacht wie die blinden, vorurteilsbeladenen Männer, die ich dafür verurteilt hatte.
    Mit keiner Silbe hatte Evelyn ihr Abenteuer erwähnt und statt dessen sämtliche Mühe darauf verwandt, die Lösung des Rätsels zu finden. Ihre Analyse war brillant; der Verstand, den sie entwickelt hatte, war so scharf wie mein eigener.
    Cyrus hatte unterdessen Ramses’ Brief noch einmal gelesen. Er bemerkte, daß sich mein Gesichtsausdruck verändert hatte, und sagte sanft: »Was ist los, Amelia? Schlechte Nachrichten, die Ramses nicht erwähnt hat? Ich glaube zwar kaum, daß er etwas verschweigen könnte oder wollte, aber …«
    »Sie haben recht mit dieser Vermutung. Evelyn geht viel zarter mit meinen Gefühlen um als mein Sohn.« Ich faltete den Brief zusammen und steckte ihn in die Tasche. Dort sollte er ruhen, über meinem Herzen, um mich an mein Glück zu erinnern und an meine Beschämung!
    »Ich hoffe, Sie vergeben mir, wenn ich Sie nicht daran teilhaben lasse, Cyrus«, fuhr ich fort. »Es waren die zärtlichen Bekundungen der Zuneigung in diesem Brief, die mich zu Tränen rührten.«
    Seinem Ratschlag, ich sollte mich hinlegen, wäre ich nur zu gerne nachgekommen, denn es war ein anstrengender Tag gewesen. Allerdings hat mich die Müdigkeit noch niemals von der Erfüllung meiner Pflichten abgehalten. Zuerst sah ich nach meinem Patienten, dessen Zustand unverändert war, und dann machte ich mich auf die Suche nach Bertha. Je eher ich sie in ordentlichen Verhältnissen unterbrachte, um so besser; es war wirklich lästig, neben meinen anderen Pflichten auch noch die Anstandsdame spielen zu müssen.
    Eigentlich war ich nicht überrascht, sie neben dem fast niedergebrannten Feuer zu finden, vertieft in ein Gespräch mit Kevin. Weil ich wußte, daß es ihn nur noch mehr anstacheln würde, sie auszufragen, wenn ich verheimlicht hätte, wer sie in Wirklichkeit war, hatte ich sie ihm einfach als weiteres Opfer des Schurken beschrieben, der Emerson angegriffen hatte. Ich hatte damit gerechnet, daß Kevin sie aushorchen würde. Kein Journalist hätte dieser geheimnisvoll verschleierten, verführerisch dahinwandelnden Gestalt widerstehen können, und mißbrauchte Frauen sind besonders

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