Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod
Cyrus. »Ich flehe Sie an, Amelia, lesen Sie weiter, ich halte die Spannung nicht mehr aus!«
… und ihn am frühen Morgen wieder einzuschließen, damit niemand im Haus ihm begegnete. Nefret half mir freundlicherweise …
Wieder überkamen mich Gefühle. »Noch so eine«, sagte ich wie betäubt. »Ich dachte, einer sei schon schlimm genug, und nun … Verzeihen Sie mir, Cyrus. Ich will versuchen, mich zusammenzunehmen.«
… bei zwei Gelegenheiten. Sie sagte, ich müsse noch wachsen und benötige daher meinen Schlaf. Es bedarf wohl keiner Erwähnung, Mama und Papa, daß ich diese Äußerung ohne Unwillen aufnahm und so verstand, wie sie gemeint war.
Natürlich hatte ich die Hunde eingesperrt und Bob und Jerry empfohlen, sich im Pförtnerhäuschen einzuschließen, solange der Löwe frei herumlief. Sie stimmten mir zu, daß dies ein vernünftiges Vorgehen sei.
Onkel Walter hat mich tödlich beleidigt. Seine Bemerkungen zum Thema Löwe waren unangebracht, ungerecht und äußerst grob, insbesondere in Hinblick auf die Tatsache, daß meine Voraussicht ein Ereignis verhinderte – oder zumindest zu verhindern half –, das möglicherweise zu einer Katastrophe geführt hätte.
Da ich ein solches Ereignis erwartet hatte, wachte ich auch als erster auf, als die durchdringenden Schreie eines weiblichen Wesens im Zustand äußerster Todesangst, begleitet vom Fauchen einer Raubkatze, durch die Nacht gellten. Natürlich hatte ich in meinen Kleidern geschlafen, um sofort zur Stelle und einsatzbereit zu sein; nach der Waffe zu greifen, die dicht neben mir lag (ein Schürhaken vom Kamin), und die Treppe hinabzueilen, war eins.
Der Mond tauchte den Rasen in frostiges Licht (er war tatsächlich mit Frost bedeckt, denn in jener Nacht war es kalt). Die Gestalten eines mächtigen Dschungeltiers und seiner Beute zeichneten sich deutlich ab. Mit gezücktem Schürhaken eilte ich zum Ort des Geschehens und wurde dort eines ziemlich beunruhigenden Anblicks gewahr. Das Licht war gerade hell genug, daß ich das menschliche Wesen erkennen konnte, welches rücklings zwischen den Pranken des Löwen lag. Entsetzt und erschrocken erkannte ich, daß es sich dabei um Ellis handelte, das neue Dienstmädchen von Tante Evelyn.
Der Löwe hätte ihr wahrscheinlich keinen Schaden zugefügt. Ich konnte mich eines Gefühls der Ratlosigkeit nicht erwehren. Ellis war in Ohnmacht gefallen, was zweifellos das vernünftigste war, was sie hatte tun können.
Während ich noch darüber nachsann, was zu tun sei, kam Nefret lautlos auf mich zugeeilt, denn sie glitt mit ihren kleinen Füßen unbeschuht über das Gras. Ihr offenes Haar wogte hinter ihr her und schimmerte silbriggolden im fahlen Licht; ihr leichtes Nachtgewand bauschte sich um die schlanken Glieder. Sie bot einen berückenden … (An dieser Stelle war etwas ausgestrichen. Ramses schrieb weiter:) … der weiblichen Tatkraft. In der Hand hielt sie ihr Messer.
Mit ihrer Hilfe überzeugte ich den Löwen, von seinem neuen Spielzeug abzulassen. Leise brummend trollte er sich gemächlich davon, während Nefret ihm liebevoll über die Mähne strich. Die literarischen Zitate, die mir dabei in den Sinn kamen, werden zweifellos auch Dir, Mama, einfallen, also werde ich kein Papier vergeuden, um sie niederzuschreiben.
Ich machte mich daran, Ellis wieder zu Bewußtsein zu bringen, doch gerade, als ich ihr eine Ohrfeige versetzt hatte, hörte ich aus Richtung des Hauses beträchtlichen Radau. Ich hatte bereits erwartet, daß man dort auf uns aufmerksam werden würde, und war überrascht, daß es nicht schon früher dazu gekommen war. Ich vermute jedoch, daß die von mir beschriebenen Ereignisse nicht länger als ein paar Minuten gedauert hatten. Ist es nicht erstaunlich, wie schnell die Zeit verstreicht, wenn man sich interessanten Tätigkeiten widmet?
Die Geräusche, die ich vernahm, wiesen meines Dafürhaltens nach auf etwas hin, das von ernsterer Natur war als Onkel Walters Verärgerung darüber, daß er aus dem Schlaf gerissen worden war. Diese Schreie waren von hoher Tonlage – ich schloß daraus, daß sie von einer Frau stammten. Also ließ ich Ellis liegen und eilte davon, um nach ihrem Ursprung zu forschen.
Wie Ihr wißt, sind die meisten Fenster des Schlosses schmal und klein. Nur das Wohnzimmer ist modernisiert worden; seine Fenster öffnen sich zum Rosengarten hinaus. Genau aus diesem Zimmer drang der Lärm, und als ich den Garten durchquerte, mußte ich zu meiner Beunruhigung feststellen,
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