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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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den Wagemut aus, zu dem unser Sohn neigt, aber er hat schon häufig mit eigener Hand Füchse vor Jägern und ihren Meuten gerettet. Das Jaulen des Hundes ließ darauf schließen, daß er Schmerzen litt oder in Not war. Es zog Emerson ebenso unwiderstehlich an, wie das bei mir der Fall gewesen wäre – hätte ich nicht Grund gehabt, eine Gefahr zu fürchten.
    Ich sparte mir meinen Atem zum Rennen auf. Wenn nötig, kann ich eine ziemliche Geschwindigkeit erreichen, doch bei dieser Gelegenheit brach ich meinen eigenen Rekord. Emerson hatte das Haus erreicht, ehe ich ihn einholen konnte. Die Hand am Türriegel blieb er stehen und sah mich fragend an.
    »Irgend jemand hat das Tier hier eingeschlossen. Was ist …«
    Ich war so außer Atem, daß ich kein Wort herausbrachte. Also warf ich mich auf ihn. Das erwies sich als ein Fehler, allerdings als entschuldbarer, wie ich glaube. Ich hatte nicht bemerkt, daß seine Finger bereits auf dem Riegel ruhten.
    Der Hund, der unsere Stimmen hörte, fing an, sich gegen die Tür zu werfen. Sie flog auf. Emerson taumelte an die Wand, und ich stürzte ziemlich heftig zu Boden.
    Die streunenden Dorfhunde sind magere, halbverhungerte Geschöpfe unbestimmbarer Rasse. Sie sind keine Haustiere, sondern wildlebende Ungeheuer, die allen Grund haben, die Menschen zu hassen und zu fürchten.
    Diejenigen, die trotz aller Entbehrungen das Erwachsenenalter erreichen, sind stärker und gefährlicher als ihre Artgenossen. Und dieser hier war tollwütig.
    Er wäre Emerson sofort an die Kehle gegangen, wenn ich ihn nicht beiseite gestoßen hätte. Also stürzte er sich auf das erstbeste, was er sah – meinen Fuß. Als er seine Zähne in meinen Stiefel schlug, an ihm herumbiß und zerrte, tropfte ihm rosiger Schaum aus dem Mund. Ich hatte meinen Sonnenschirm noch in der Hand, den ich mit voller Wucht auf den Kopf des Hundes krachen ließ.
    Ein weniger tobendes Tier hätte durch einen solchen Schlag wohl das Bewußtsein verloren, doch diese Bestie setzte zu einem noch wütenderen Angriff an.
    Emerson entriß mir den Schirm. Er schwang ihn hoch über den Kopf und schlug zu, so fest er konnte. Ich hörte das Splittern von Knochen und ein letztes Schmerzgeheul, das mir wohl immer im Gedächtnis bleiben wird. Das Tier rollte sich auf dem Boden, seine Läufe zuckten.
    Emerson schlug noch einmal zu. Diesmal war das Geräusch weniger laut, aber ebenso widerwärtig.
    Dann packte Emerson mich unter den Achseln und zerrte mich von der Leiche des Hundes weg. Sein Gesicht war so weiß wie der Verband an seiner Wange – weißer, wenn ich genau sein will, denn der Verband war inzwischen sehr schmutzig, und er hatte an diesem Morgen mein Angebot, ihn zu wechseln, abgelehnt. Abdullah hatte sein Messer gezogen. Er stand da wie zur Salzsäule erstarrt und war ebenfalls erbleicht.
    Emerson kniete neben mir nieder und griff nach Abdullahs Messer. »Mach’ Feuer«, sagte er. Zuerst sah ihn Abdullah verwirrt an, aber dann nickte er.
    Kevin führte in seiner Ausrüstung Brennstoff mit. Im Hintergrund nahm ich wahr, daß Abdullah eilig herumhantierte, doch mein hauptsächliches Augenmerk galt meinem Stiefel, den Emerson gerade aufschlitzte. Die Schnürsenkel waren verknotet und klebrig von Speichel, und um den Knöchel herum war der Schaft zu Fetzen zerrissen.
    »Nicht anfassen!« rief ich aus. »Ihre Hände sind immer voller Kratzer und Schnitte; eine offene Wunde …«
    Mit einem Schmerzensschrei, den ich nicht unterdrücken konnte, brach ich ab, als Emerson den Stiefel mit eiserner Faust packte und ihn mir vom Fuß riß. Cyrus kam gerade rechtzeitig um die Hausecke, um meinen Ausruf zu hören.
    Zornig runzelte er die Stirn, und er wollte sich, wie ich glaube, schon auf Emerson stürzen, als er die Leiche des Hundes sah. Er wurde aschfahl, denn sein rascher Verstand hatte sofort erfaßt, was das bedeutete.
    »Gütiger Gott!« entfuhr es ihm. »Hat er …«
    »Das versuche ich ja gerade festzustellen, Sie verdammter Narr«, fauchte Emerson und untersuchte meinen schmutzigen Strumpf so gründlich wie ein Wissenschaftler, der durch ein Mikroskop blickt. »Halten Sie sie zurück«, fügte er hinzu, als die anderen erschrocken auf uns zueilten und uns mit Fragen überhäuften. »Und fassen Sie auf keinen Fall …«
    Das Geräusch, das über seine Lippen drang, war kein Stöhnen, sondern ein unterdrückter Fluch. Auch ich hatte sie gesehen – eine kleine Rißwunde, kaum zweieinhalb Zentimeter lang. Aber sie war groß genug, um

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