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Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod

Titel: Amelia Peabody 07: Die Schlange, das Krokodil und der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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seine Wange entstellte, ganz hübsch ausgesehen hätte. Deutsche Studenten sind sehr stolz auf solche Narben – in ihren Augen Beweis für ihren Mut, anstatt für ihre Dummheit, was eigentlich der Wahrheit entspräche. Soviel ich weiß, bedienen sich die Studenten verschiedener schmerzhafter und unhygienischer Methoden, um die Wundenheilung zu verhindern, so daß möglichst auffällige Narben zurückbleiben.
    Die Manieren von Herrn Schmidt waren so makellos, wie sein Gesicht es nicht war. Er begrüßte mich in gebrochenem, aber entzückendem Englisch und schien sehr gerne gewillt, die Tasse Tee anzunehmen, die ich ihm anbot. Emerson jedoch bestand darauf, den beiden die Gräber zu zeigen, und der junge Mann folgte gehorsam seinem Vorgesetzten.
    Ich hatte meinen Tee ausgetrunken und wollte gerade den anderen hinterher, als sich einer der Arbeiter näherte und mir durch seine dichten Wimpern einen schüchternen Blick zuwarf. Wie die übrigen Männer hatte er während der Arbeit sein Gewand abgelegt und war nur mit einem zusammengebundenen Lendenschurz bekleidet. Sein geschmeidiger, glatter Körper glänzte vor Schweiß. »Ich habe ein Grab gefunden, verehrte Sitt«, flüsterte er. »Willst du mitkommen, bevor die anderen es finden und ihren Anteil am Bakschisch fordern?«
    Ich blickte mich um. Emerson mußte die Besucher in die Pyramide geführt haben; sie waren nirgendwo zu entdecken. Daoud leitete eine Gruppe von Arbeitern, die die Gräber neben dem erhöhten Fußweg untersuchten, der von der Pyramide zum Fluß führte.
    »Wo ist es?« wollte ich wissen.
    »Nicht weit, verehrte Sitt. Nahe dem Grab der Gänse.«
    Er meinte damit eines der berühmtesten Gräber von Meidum, aus dem das reizende Gemälde stammt, das nun im Museum von Kairo zu sehen ist. Das Grab lag im Mastaba-Feld, fast genau nördlich der Pyramide. Unter Abdullahs Leitung suchte dort eine Mannschaft nach weiteren Grabeingängen; dieser Mann mußte zu besagter Gruppe gehören. Seine Heimlichtuerei und sein aufgeregter Gesichtsausdruck ließen darauf schließen, daß er etwas Außergewöhnliches gefunden hatte, wofür er sich eine beträchtliche Belohnung erhoffte. Natürlich wollte er sie nicht mit den anderen teilen.
    Vorfreude durchfuhr mich, als ich mir Wunderdinge ausmalte, die den Gänsen gleichkamen oder zumindest dem lebensgroßen Standbild des adligen Paares, das im gleichen Friedhof in einer anderen Mastaba gefunden worden war. Ich erhob mich und bedeutete ihm durch Gesten, mich dorthin zu führen.
    Die kehligen Gesänge von Daouds Mannschaft waren nur noch leise zu hören, als wir über die herabgefallenen Steine und die Schuttberge am Fuße der Pyramide kletterten. Wir hatten die nordöstliche Ecke des Bauwerks fast erreicht, als mein Führer innehielt und seine Hand ausstreckte. »Sitt …« fing er an.
    »Nein«, sagte ich in Arabisch. »Kein Bakschisch, solange du mir nicht das Grab gezeigt hast.«
    Er ging einen Schritt auf mich zu und lächelte dabei so lieblich wie eine scheue Jungfrau. Da hörte ich ein Geräusch, das wie ein scharfer Peitschenknall klang. Darauf folgten ein Grollen und Klappern, und ein Regen von Felsbrocken und Steinen prasselte hinter mir zu Boden. Mein Führer nahm Reißaus. Das konnte ich ihm kaum verübeln. Als ich verärgert nach oben blickte, entdeckte ich ein erschrecktes Mondgesicht, das von der Spitze der Pyramide, die fast fünfzehn Meter über mir lag, auf mich heruntersah.
    »Ach Himmel, Frau Professor – verzeihen Sie bitte! Ich habe Sie nicht gesehen. Sind Sie verletzt? Haben Sie sich zu Tode erschrocken?«
    Noch während er das sagte, balancierte er mit ausgebreiteten Armen – um das Gleichgewicht nicht zu verlieren – die Schräge hinab und löste dabei eine weitere kleine Lawine aus.
    »Weder das eine noch das andere«, erwiderte ich. »Was ich aber sicherlich nicht Ihnen zu verdanken habe, Herr Schmidt. Was zum Teu … Das heißt, worauf haben Sie denn geschossen? Um Himmels willen, stecken Sie Ihren Revolver weg, bevor Sie mich oder sich selbst durchlöchern.«
    Der junge Mann errötete und verstaute seine Waffe im Halfter. »Es war eine Gazelle, eine …«
    »Unsinn, es kann keine Gazelle gewesen sein. Das sind scheue Tiere, die sich nie so nahe an Menschen heranwagen würden. Sie hätten fast die Ziege eines dieser armen Dorfbewohner totgeschossen, Herr Schmidt. Ihr Glück, daß Sie danebengezielt haben; selbst der Welt bester Schütze könnte mit einer Pistole kein so weit entferntes Ziel

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