Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
vorübergehend zu soviel Macht gelangten, und welche Auswirkungen …«
Mit einem gemurmelten Fluch stand Kevin auf und trollte sich. Emersons Finte hatte Erfolg gehabt, denn Kevins Leser interessierten sich bestimmt nicht für seine Theorien zum Thema Amonpriester. Ich war selbstverständlich derart gefesselt davon, daß ich erst nach einer erfrischenden kleinen Debatte über Echnaton bemerkte, daß die meisten unserer Gäste verschwunden waren.
»Verflixt!« rief ich aus. »Wo ist Nefret? Wenn sie mit diesem …«
»Wahrscheinlich ist sie mit Ramses zusammen«, meinte Emerson unbekümmert. »Es ist eine wunderschöne Mondnacht, Amelia, und du kannst nicht verlangen, daß die jungen Leute stundenlang stillsitzen.«
»Machen Evelyn und Walter auch einen Mondscheinspaziergang?«
»Sieht fast so aus. Setz dich, Peabody Worüber regst du dich denn so auf?«
»Das ist ihr Mutterinstinkt«, verkündete Cyrus ernst. »Ich habe vollstes Verständnis dafür, Mrs. Amelia; es muß schwer sein, die Verantwortung für zwei junge Leute zu tragen. Vor allem mit Ramses’ Neigung zu Unfällen und Miss Nefrets hübschem Gesicht … Es wird nicht lange dauern, bis Ihnen die Verehrer die Bude einrennen, Emerson.«
»Du meine Güte«, entfuhr es Emerson mit einem entsetzten Blick auf mich. »Vielleicht gehst du doch besser los und suchst sie.«
Es war typisch für ihn, daß er bis jetzt weder auf die Warnzeichen noch auf meine Worte geachtet hatte, während die harmlose Randbemerkung eines anderen Mannes sofort seine Aufmerksamkeit erregte. »Genau das habe ich auch vor, Emerson«, sagte ich kühl. »Laß dich von mir bloß nicht stören.«
Ich nahm meinen Sonnenschirm (scharlachrot, passend zu meinem Kleid) und folgte dem Pfad, der ins Gebüsch führte.
Es waren einige Leute unterwegs und genossen die milde Tropennacht – Schatten in der Dunkelheit, viele von ihnen Arm in Arm. Als ich weiterging, bereute ich allmählich, daß ich zu verärgert gewesen war, um Emerson zu bitten, mich zu begleiten. Ägyptische Nächte sind wie gemacht für romantische Stelldicheins – Sterne, ein leichtes Lüftchen, die Luft geschwängert vom üppigen Duft des Jasmins und der Rosen.
Der Mond war fast voll und beschien den Weg mit seinen silbrigen Strahlen. Weshalb hätte ich, die ich für Empfindungen dieser Art noch immer empfänglich war, einem jungen Mädchen zum Vorwurf machen sollen, daß sie den Verlockungen einer solchen Nacht erlag?
Deshalb, weil sie erst fünfzehn Jahre alt war und nicht so … reif wie ich damals, als der Mond und Emerson mir den Kopf verdrehten.
Und das Mondlicht war es auch, das die beiden verriet, als es in seinem blonden Haar schimmerte. Nefret stand im Schatten, halb verborgen von einer blühenden Kletterpflanze.
Der Wind in den Zweigen übertönte das Rascheln meines Rockes auf dem Gras. Ich blieb stehen und hörte eine Frauenstimme.
»Wie sagt man das hier so schön? Das Wort eines Engländers?«
Es war doch nicht Nefrets Stimme. Trotz des Flüsterns und des leisen Lachens wußte ich sofort, daß es sich um Gertrude handelte. Auch die gedämpfte Stimme des Mannes, der nun antwortete, war unverkennbar: Sir Edward Washington.
»Sie haben es. Zweifeln Sie etwa an mir?«
»Dann geben Sie mir die Hand drauf – wie Gentlemen, wenn sie eine Vereinbarung treffen.«
Ich hörte jemanden nach Luft schnappen. Das Schimmern im blonden Haar war nicht mehr zu sehen, als Sir Edward sich bewegte, und da ich nicht sicher war, ob er vielleicht auf mich zukam, zog ich mich sofort zurück. Als ich an unserem Tisch angelangt war, stellte ich erleichtert fest, daß die Spaziergänger wieder da waren.
»Wir sind ein wenig herumgeschlendert«, erklärte Evelyn. »Der Blick über den Fluß ist traumhaft.«
»Seid ihr den anderen begegnet?« fragte ich beiläufig.
»Nur O’Connell und Amherst«, antwortete Walter. »Sie wollten Tabak kaufen. Wie du weißt, sind die Läden während des Ramadan ja die halbe Nacht geöffnet.«
»Sir Edward und Miss Marmaduke waren nicht dabei?« Zwar wußte ich, daß dies nicht der Fall gewesen sein konnte wenigstens nicht die ganze Zeit über, doch eine richtige Detektivin geht lieber auf Nummer Sicher.
»Warum willst du das wissen?« erkundigte sich Emerson. »Du bist nicht für sie verantwortlich, und sie sind dir keine Rechenschaft darüber schuldig, wie sie ihre Freizeit verbringen.« Er zog seine Uhr heraus. »Es ist spät. Wir müssen los.«
»Warum so eilig?« Cyrus winkte einen
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