Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
überflüssiger Gefühlsausbrüche«, erklärte ich. »Evelyn, leg diesen Sonnenschirm weg. Wenn du ihn weiter so fest umklammerst, bekommst du noch einen Krampf in der Hand.«
Evelyn hielt den Schirm nun zwar lockerer, ließ ihn aber nicht los. Anscheinend gab er ihr Sicherheit. »Wie immer«, klagte sie bitterlich, »läßt man uns Frauen hier zurück, während die Männer etwas unternehmen. Ich hätte nie gedacht daß du so fügsam nachgeben würdest, Amelia.«
»Glaubst du, ich hätte das getan, wenn es nicht das Vernünftigste wäre? Wir würden Emerson nur im Weg stehen. Walter wird ihm wahrscheinlich auch nicht viel nützen, aber wenigstens spricht er einigermaßen fließend Arabisch. Nun setzt euch doch, um Himmels willen, damit wir die Hinweise noch einmal durchgehen können. Hat Ramses denn nichts zu dir gesagt, Nefret, was uns weiterhelfen könnte?«
Nefret ließ sich in einen Sessel fallen. »Nein. Immer hat er Geheimnisse vor mir. Allerdings glaube ich keine Minute daran, daß David immer noch auf der Seite dieses widerwärtigen alten Mannes steht. Der Professor wird ihn in Gurneh nicht finden. Bestimmt sind sie in Luxor.«
»Aber wie sollen sie dorthin gekommen sein?« fragte Evelyn.
»Darüber habe ich auch schon nachgedacht«, meinte ich. »Schauen wir einmal, ob wir den möglichen Ablauf nachvollziehen können. Du kennst ja Ramses’ schauspielerisches Talent. Er müßte nicht viel an sich verändern, um als junger Ägypter durchzugehen. Vielleicht haben sich die beiden hinausgeschlichen und sind über Bord geklettert, als Ibrahim gerade seinen Rundgang machte. Sie schwimmen ja beide wie die Fische. Wahrscheinlich haben sie sich leise weit genug von der Dahabije entfernt und dann ein Boot gestohlen – oder jemanden gebeten, sie mitzunehmen.«
»In diesem Fall müßten wir sie eigentlich finden können«, sagte Evelyn aufgeregt.
»Bestimmt hat Emerson schon angefangen, Nachforschungen anzustellen, liebe Freundin.«
»Was sollen wir tun?«
»Warten«, antwortete ich. »Nefret, bittest du Mahmud, noch einmal Kaffee zu kochen? Ich glaube, wir werden bald Besuch bekommen.«
In der Tat dauerte es nicht lange, bis die Gäste eintrafen. Emerson hatte mir seine Pläne nicht zu erklären brauchen; wir denken immer dasselbe (ausgenommen in außergewöhnlichen Umständen). Er war zum Grab geritten, um Abdullah zu holen. Und da er später dran war als sonst, würden Sir Edward und vermutlich auch Cyrus sicher schon vor ihm eingetroffen sein. Die Herren würden darauf beharren, sich an der Suche nach Ramses zu beteiligen. Und Emerson würde sie zu mir schicken, damit sie ihm nicht im Weg herumstanden.
Ich hatte mich nur in der Zahl geirrt. Es waren vier Herren, nicht zwei. Cyrus’ Assistent und ein aufgeregter Kevin O’Connell machten das Kleeblatt komplett.
Natürlich waren sie alle in Sorge, doch Kevin hatte anscheinend zusätzlich ein schlechtes Gewissen. »Wenn meine Nachlässigkeit schuld daran ist, Mrs. Emerson, werde ich mir das nie verzeihen«, sprudelte er hervor. »Eigentlich wollte ich gestern abend die Hotels abklappern, doch als ich meinen Artikel fertig hatte, war es schon zu spät, und heute morgen habe ich es schlichtweg vergessen, und … ich fahre sofort zurück nach Luxor.«
»Ich mache Ihnen keine Vorwürfe, Kevin, also hören Sie mit dem Geschnatter auf«, entgegnete ich. »Ramses ist immer davon überzeugt, daß er alles am besten kann. Nicht einmal ich kann ihn aufhalten, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat. Aber im Augenblick stellen wir nur Vermutungen an. Wir wissen ja nicht einmal, ob er überhaupt in Luxor ist.«
»Es kann nichts schaden nachzufragen«, beharrte Kevin. »Ich muß etwas tun, Mrs. Emerson.«
Nachdem Sir Edward uns begrüßt hatte, hatte er kein Wort mehr gesprochen. »Ich stimme Mr. O’Connell zu«, sagte er nun ruhig. »Mit seiner Erlaubnis und mit Ihrer, Mrs. Emerson, werde ich ihn begleiten. Mein Arabisch ist vielleicht besser als seines.«
»Ganz sicher, da sich mein Wortschatz auf ein halbes Dutzend Vokabeln beschränkt«, verkündete Kevin. Die Aussicht darauf, etwas zu unternehmen, und meine freundliche Beschwichtigung gaben ihm wieder Oberwasser. »Ich nehme Ihr Angebot an, Sir Edward, denn wie ich gern zugebe, fühle ich mich mit einem Freund als Beistand sicherer.«
Nefret ging mit ihnen zur Gangway. Ich gestattete es ihr, da ich wußte, daß die beiden sich nicht überreden lassen würden, sie mitzunehmen.
»Wahrscheinlich ist es
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