Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Verfolgung.
Ich schoß ihn in den Rücken. Das war zwar nicht sehr sportlich, aber mir blieb nichts anderes übrig. Er stürzte, und die Pistole entglitt seiner Hand. Ich wußte, daß ich ihn nicht getötet hatte, denn er schrie aus vollem Halse. Schließlich schleppte ihn jemand zurück ins Haus. Da ich sparsam mit der Munition umgehen mußte, griff ich zu einem Topf (der streng nach Überresten einer Mahlzeit roch), und als die Tür wieder aufging und ein weiterer Kopf erschien, ließ ich den Topf fallen.
»Das dürfte sie eine Weile aufhalten«, sagte ich, als ich zu meinen Begleitern zurückkehrte. »Aber diesen Fluchtweg können wir nun leider nicht mehr benutzen, da unsere Gegner dort auf uns lauern. Was tut sich bei euch?«
Die Antwort hätte ich mir genausogut selbst geben können, und sie war ziemlich entmutigend. Die Tür erzitterte unter den heftigen Schlägen; offenbar setzten unsere Feinde ein schweres Möbelstück als Rammbock ein. Sämtliche Feldbetten und Tische waren vor der Tür aufgetürmt worden, doch die wackeligen Dinger würden nicht lange standhalten, wenn das Holz erst einmal nachgab – und das konnte nicht mehr lange dauern. »Sind sie entkommen?« keuchte Evelyn.
Wahrheitsgemäß hätte ich »hoffentlich« sagen sollen, aber meine Begleiter dürsteten offensichtlich nach ein paar aufmunternden Worten. »Ja«, erwiderte ich deshalb im Brustton der Überzeugung. »Können wir diese Kerle abwehren, bis die Hilfe da ist?«
»Ganz bestimmt, wenn sie innerhalb der nächsten fünf Minuten eintrifft«, höhnte Walter. »Wie ich mich erinnere, hast du Daoud angewiesen, Vandergelt zu holen, falls wir nicht zurückkommen.«
Ich hatte gehofft, daß er sich nicht daran erinnern würde, und ich hoffte noch mehr, daß auch Daoud es vergessen hatte. Mir war nicht mehr die Zeit geblieben, ihm genauere Instruktionen zu geben. »Unsinn«, widersprach ich. »Er ist sicher nicht so dumm, einen solchen Umweg zu machen. Er wird sich an jemanden hier in Luxor wenden.«
»Gewiß rufen die Nachbarn die Polizei«, meinte Evelyn.
Walter, der offensichtlich ein wenig gereizt war, hätte wohl eine sarkastische Bemerkung gemacht, wenn ich ihn nicht getreten hätte. »Natürlich«, sagte ich. »Aber wir sollten eine Bestandsaufnahme unserer Bewaffnung machen, falls … äh … nur für den Notfall.«
Eines der eisernen Feldbetten fiel krachend um. Die Tür erzitterte heftig. »David hat ein Messer!« rief ich. »Ich habe ein Messer und eine Pistole. Walter, du solltest sie besser nehmen.«
»Ich habe auch ein Messer«, verkündete Walter und zog es aus dem Gürtel. »Daoud hat mir eines von seinen gegeben.«
»Halt es nicht so!« Ich zeigte es ihm mit meinem eigenen. »Ein Stoß von unten trifft mit größerer Wahrscheinlichkeit eine lebenswichtige Stelle als …«
Eines der Scharniere gab nach, und die Tür wölbte sich nach innen. Der Triumphschrei, der darauf erfolgte, zwang mich, noch mehr die Stimme zu erheben. »Schon gut, Walter, tu dein Bestes. Evelyn, möchtest du lieber mein Messer oder meine Pistole?«
»Was dir lieber ist«, antwortete Evelyn höflich.
»Dann nimm die Pistole!« brüllte ich.
Plötzlich hörte der Lärm auf. Die Stimmen draußen sanken zu einem Flüstern, und laute Schritte trampelten durch den Korridor.
Dann vernahm ich ein Geräusch, das von draußen kam. Ein hohes, zitterndes Jaulen, das nicht von einem Menschen zu stammen schien und wohl auch einem Hund die Nackenhaare zu Berge hätte stehen lassen. Ein Geheul, wie es durch die Nacht gellt, wenn der Tod auf den Flügeln des Windes einhereilt und ein Klageweib den Untergang eines alten Herrscherhauses verkündet.
Ich kannte dieses Geräusch.
»Gerettet!« rief ich und lief auf den Balkon.
Einer der Männer trug eine Fackel, in deren Licht Kevins Haarschopf leuchtete, als stünde er in Flammen. Er hatte aufgehört zu kreischen und brüllte nun meinen Namen.
Daoud war auch dabei und der Mirror ebenfalls. Die Times hielt die Fackel. Die anderen kannte ich nicht, aber es war mindestens ein Dutzend Leute, manche im Abendanzug, andere mit Galabija und Turban.
»Gerettet!« rief ich wieder. »Die O’Connells leben hoch!«
Kevin blicke auf. »Und die Peabodys! Kommen Sie runter, Mrs. Emerson, oder sollen wir reinkommen?« Als eine Kugel an ihm vorbeizischte, fügte er hastig hinzu: »Ich glaube, besser letzteres. Halten Sie durch!«
Unsere Retter gingen in Deckung, und das gerade noch rechtzeitig, denn ein Kugelhagel ergoß
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