Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
glattstrichen und das Gewand zurechtzupften, ehe Miss Marmaduke das Wort ergriff.
»Sie schläft noch immer.«
»Bald wird sie aufwachen. Geben Sie ihr noch mehr Tee zu trinken.«
»Aber Sie haben doch gesagt …«
»Hier ist es nicht länger sicher. Sobald die Dame kommt, brechen wir auf.«
»Bestimmt wird sie von mir keinen Tee mehr annehmen. Sie hat keinen Grund, mir zu trauen.«
»Dann müssen Sie eben zu anderen Mitteln greifen.« Ungeduld und Verachtung ließen die Stimme der Frau noch härter klingen. »So wird es für sie am leichtesten. Aber falls Sie es nicht schaffen …«
»Ach, mir gefällt das gar nicht«, stöhnte Miss Marmaduke. »Man sagte mir, es würde heute nacht stattfinden. Wenn ich ihr alles erkläre, wird sie doch bestimmt …«
»Daß sie die Wiedergeburt der Tetischeri ist und vor den Körper treten muß, den sie einst bewohnt hat, um auf dem Weg voranschreiten zu können?« Ein spöttisches Lachen folgte. »Vergessen Sie den Tee. Ich kümmere mich selbst um sie.«
Die Tür fiel zu, und ein Schlüssel drehte sich im Schloß.
Nefret wagte, die Augen einen Spalt weit zu öffnen, und entdeckte zuerst ihre ehemalige Gouvernante, die händeringend im Zimmer auf und ab lief. Der Raum wurde von einer Lampe erhellt. Die Wände bestanden aus verputzten Lehmziegeln. Das einzige Fenster war mit Läden verschlossen.
Das Mobiliar war spärlich – ein paar Stühle, ein Tisch, verschiedene Körbe und Tonkrüge.
Nefret klopfte das Herz bis zum Halse. Sie wußte, daß sie sich auf der Stelle etwas einfallen lassen mußte. Der Plan ihrer Widersacherinnen war ihr in groben Zügen klar.
Anscheinend war Miss Marmaduke genau das, wofür sie sie gehalten hatte: eine geistig nicht sehr anspruchsvolle Anhängerin einer okkulten Religion. Und offenbar war sie hinters Licht geführt worden. Aber von wem? Bestimmt war die Anführerin eine Frau – die geheimnisvolle »Dame«, von der ihre zweite Entführerin gesprochen hatte. Und Nefret sollte so lange als Geisel gefangengehalten werden, bis Emerson die Mumie und die Grabschätze herausgab.
All diese Gedanken schossen Nefret durch den Kopf, während sie versuchte, einen Entschluß zu fassen. Wenn sie blieb, konnte sie vielleicht noch mehr in Erfahrung bringen und herausfinden, wer die unbekannte Anführerin war.
Allerdings überwogen die Gefahren sämtliche Vorteile. Ihre Entführerinnen hatten es nicht mehr nötig, den Vorwand aufrechtzuerhalten, unter dem sie sie in ihre Gewalt gebracht hatten. Sie würden ihr ein Rauschgift verabreichen oder sie fesseln und sie dann an einen ausbruchsicheren Ort verschleppen. Wenn sie etwas unternehmen wollte, mußte dies sofort geschehen, bevor die andere Frau zurückkam und sich um sie »kümmerte«.
»Also habe ich Miss Marmaduke mit dem Nachttopf geschlagen«, sagte Nefret. »Sie hat mich nicht einmal gesehen, denn sie stand am Fenster und murmelte vor sich hin.«
Als Nefret hinausblickte, erkannte sie an den Häusern und Mauern, daß sie sich in einem Dorf befand. Hinter den Behausungen erhoben sich im silbrigen Mondlicht die Klippen der Hochwüste. Das Zimmer lag im Obergeschoß, und Nefret überlegte gerade, wie sie am besten hinunterklettern sollte, als sie Schritte hörte. Rasch stieg sie aus dem Fenster, ließ sich an den Händen hinab und landete auf gestampfter Erde und Mist.
»Dann kannst du uns ja zu dem Haus führen!« rief ich aus. »War es das von Abd el Hamed?«
»Ich weiß nicht. Das Dorf war bestimmt Gurneh, aber ich habe die Vorderseite des Hauses nie gesehen. Das Fenster ging nach hinten hinaus, und nach meiner Flucht war ich zu sehr mit Weglaufen beschäftigt, um meine Umgebung wahrzunehmen. Wenn ich nicht zufällig einen Esel entdeckt hätte, hätten sie mich vielleicht eingeholt.«
Ramses unterdrückte angesichts dieses Eingeständnisses von Fehlbarkeit ein selbstzufriedenes Grinsen. Ich fand, daß ihm das ziemlich gut gelang, aber Nefret hatte seinen Blick trotzdem gesehen.
»Das ganze Dorf ähnelt einem Labyrinth – es gibt keine Straßen und auch kaum Gassen! Ich war davor erst einmal dortgewesen, und … Glaubst du, du hättest es besser geschafft?«
»Nein«, antwortete Ramses. »Im großen und ganzen habe ich mich längst nicht so wacker geschlagen wir du. Ich bin …« Er räusperte sich. »Ich bin sehr froh, daß du wieder bei uns bist.«
Am nächsten Morgen fuhr Emerson sofort nach Luxor – wie ich kaum hinzufügen muß, waren wir alle mit von der Partie.
Zutiefst
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