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Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin

Titel: Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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um welche von seinen Eltern handelte. Mehr konnte ich dazu nicht sagen. Gemessen schüttelte er seinem Vater die Hand – ein Procedere, das seinen Vater sehr amüsierte. »Gute Nacht, Vater. Gute Nacht, Mutter.«
    »Gute Nacht, Ramses. Laß dein Sakko nicht auf dem Sessel liegen; nimm es mit und häng es auf.«
    Nefret, natürlich mit Bastet im Arm, war bereits hinausgeschlüpft. Ihr Zimmer ging wie das unsere vom Salon ab.
    Ramses bewohnte das Nebenzimmer, zu dem es allerdings keine Verbindungstür gab.
    »Was für ein Glück haben wir mit diesen intelligenten und gehorsamen Kindern«, sagte Emerson. »Ich habe dir doch gesagt, Peabody, daß wir mit Nefret keinen Ärger haben würden.«
    »Deine Leichtgläubigkeit erstaunt mich immer wieder, Emerson. Ich weiß nicht, warum Ramses einmal im Leben widerspruchslos einen Befehl befolgt hat. Nefret wollte jedenfalls einer Gardinenpredigt entgehen. Ich muß ein Wörtchen mit der jungen Dame reden. Heute abend hat sie sich höchst ungehörig betragen. Ich habe sie nämlich erwischt, als sie gerade aus der maurischen Halle kam – du kennst diesen Raum ja, Emerson! –, und ich hege den starken Verdacht, daß sie dort mit einem Mann allein war.«
    »Du widersprichst dir, Peabody. Wenn ein Mann dabei war, war sie nicht allein.«
    »Offenbar nimmst du es nicht ernst, Emerson.«
    »Und du nimmst es dafür zu ernst, Peabody. Du hast keinerlei Beweise dafür, daß etwas Unsittliches vorgefallen ist. Wenn es denn sein muß, halte dem Kind eine Standpauke. Aber kann das nicht bis morgen warten?« Er räkelte sich gähnend.
    Inzwischen sorge ich dafür, daß die Knöpfe an Emersons Hemden mit extradickem Zwirn festgenäht werden, denn sie sprangen jedesmal ab, wenn er sich eilig auszog oder seine breite Brust dehnte. Diesmal trug er jedoch ein altes Hemd, weshalb die Knöpfe einfach aus den Knopflöchern rutschten. Und als er die Arme ausbreitete, bot sich mir ein guter Ausblick auf seinen prächtig gebauten Körper.
    »Wirklich, Emerson, du solltest dich schämen«, sagte ich. »Wenn du glaubst, mich von meinen Mutterpflichten ablenken zu können, und das noch auf eine derart ungehörige Weise …«
    »Ungehörig? Meine liebe Peabody, du weißt nicht, was du da sagst. Gut, wenn ich so etwas getan hätte … oder vielleicht das da …«
    Wir ließen Anubis, den Kater, im Salon sitzen und zogen uns in unser Schlafgemach zurück.
    Als wir am folgenden Morgen das Hotel verließen, war die Luft noch kühl und frisch. Ich bin ohnehin Frühaufsteherin, und die Neugier auf Emersons Versprechen hatte mich noch zeitiger aus dem Bett getrieben. Allerdings, verehrter Leser, dürfen Sie nicht glauben, Emersons zärtliche Aufmerksamkeiten oder die Neugier hätten mich meine Elternpflicht vergessen lassen.
    Sofort nach dem Aufstehen war ich in Nefrets Zimmer gegangen. Im Schlaf sah sie aus wie das Sinnbild mädchenhafter Unschuld: Rotgoldene Locken umrahmten ihr Gesicht, ihre Lippen waren zu einem süßen Lächeln verzogen, der Name, den ihr Vater ihr gegeben hatte, paßte großartig zu ihr, denn auf Altägyptisch bedeutet er »schön«.
    Eine Weile stand ich da und betrachtete sie, erfreut und gleichzeitig von einer bösen Vorahnung erfüllt. Ich würde jederzeit zugeben, daß meine mütterlichen Instinkte nicht sehr gut entwickelt sind – obgleich ich zu meiner Verteidigung anführen muß, daß ein Kind wie Ramses wohl jeder Frau die Mütterlichkeit ausgetrieben hätte. Und jetzt, nachdem ich die gefährlichsten Jahre seines Lebens überstanden hatte, war ich erneut und – zuerst – wider Willen Mutter geworden. Niemand kann mich der Übertreibung bezichtigen, wenn ich behaupte, daß noch keine Mutter vor einer vergleichbaren Herausforderung gestanden hat. Doch Nefrets rascher Verstand und ihre liebenswürdige Art hatten es ihr ermöglicht, sich an eine Lebensweise zu gewöhnen, die sich so grundlegend von ihrem bisherigen Dasein unterschied.
    Allerdings hatte sie sich nicht ohne weiteres gefügt. Je mehr ihr Vertrauen in uns gewachsen war, desto stärker wurde auch ihr Widerstand gegen zivilisierte Konventionen. Warum sollte sie sich in unbequeme Gewänder hüllen? Weshalb durfte sie keine offenen und freimütigen Gespräche mit jungen Männern führen, ohne daß eine Anstandsdame anwesend war? Wieso mußte sie in Gesellschaft schweigend und gesenkten Blickes dasitzen, wo doch ihre Ansichten nicht minder von Bedeutung waren wie die aller anderen?
    Diese Regeln waren tatsächlich unsinnig!

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