Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Kunstgegenstände an wohlhabende Sammler veräußert wurden, die sich darüber ausschweigen, wieviel sie dafür bezahlt haben. Diese Sammelwut …« Er redete und redete und wiederholte eine Geschichte, die wir alle schon in- und auswendig kannten.
»Ach, da sind wir ja. Da ist ja unser Hotel!« brach er fröhlich ab.
»Darf ich dir noch eine Frage stellen, Vater?« meinte Ramses.
Emerson, der sich schon in Sicherheit gewähnt hatte, machte sich auf alles gefaßt. »Ja, mein Sohn?«
»Sind Antiquitätenhändler immer so unbeschreiblich dick? Du erinnerst dich doch noch an Abd el Atti.« Emerson brach in erleichtertes Gelächter aus. »Nur die, die sich der türkischen Lebensart hingeben, Ramses. Wahrscheinlich trifft dies auf Männer zu, die über zuviel Reichtum und zuwenig Selbstbeherrschung verfü gen.«
»Türkische Lebensart, Vater? Heißt das, Signor Riccetti ist ein Liebhaber von …«
»Gutem Essen«, unterbrach Emerson laut und warf mir einen gequälten Blick zu. »Essen, Trinken, Süßigkeiten, Wein, alkoholischen Getränken aller Art …«
»Völlerei und zu wenig Bewegung«, eilte ich Emerson auf seine stumme Bitte hin zur Hilfe. »Mens sana in corpore sano, Ramses, wie ich dir schon oft gesagt habe.«
»Ja, Mutter, aber …«
»Zeit zum Mittagessen«, verkündete Emerson und zog seine Uhr aus der Tasche. »Ich schlage vor, wir gehen gleich in den Speisesaal, meine Lieben. Ich bin am Verhungern. Warte, Peabody, ich helfe dir beim Aussteigen. Nefret, mein Kind …«
Er scheuchte uns in den Speisesaal. Offenbar hatte Ramses den Wink verstanden, denn ich glaubte nicht, daß er das Thema vergessen hatte. Ich nahm mir vor, ihm einzuschärfen, daß es sich nicht gehörte, gewisse Dinge in Gegenwart seiner Schwester zu erörtern. Allerdings hatte ich das unangenehme Gefühl, daß Nefret über besagte Dinge bereits eine Menge mehr wußte als Ramses.
Nach dem Essen entschuldigte sich Emerson. »Ein paar Erledigungen, meine Lieben. Es wird nicht lange dauern. Äh … Peabody, hättest du nicht Lust, eine deiner amüsanten kleinen Abendeinladungen zu geben? Es ist immer sehr nett, bei unserer Ankunft in Ägypten all unsere alten Freunde wiederzusehen.«
»Amüsant? Immer sehr nett?« wiederholte ich ungläubig. »Emerson, du verabscheust formelle Abendeinladungen doch geradezu!«
»Ich weiß nicht, wie du bloß auf diesen Gedanken kommst«, behauptete Emerson mit unschuldigem Augenaufschlag. »Vandergelt ist noch nicht eingetroffen, aber einige unserer Archäologenfreunde sind bestimmt in der Stadt. Newberry und Sayce und … äh … Newberry.«
»Gern, Emerson«, antwortete ich und fragte mich, was zum Teufel er nun wieder im Schilde führte. Doch seine Bitte kam meinen eigenen Plänen sehr entgegen.
»Ausgezeichnet. Ich freue mich sehr darauf, Newberry und … äh … wiederzusehen. Dann also bis zum Tee, meine Lieben.«
Und mit diesen Worten war er verschwunden, ohne daß wir ihn fragen konnten, wohin er wollte. Aber ich glaubte es zu wissen. Wenn seine Abwesenheit mir nicht die Gelegenheit gegeben hätte, meine Einkäufe zu tätigen, hätte ich darauf bestanden, ihn zu begleiten. Außerdem, so sagte ich mir, würde ich es später schon noch von ihm erfahren.
Warum in aller Welt war er so versessen darauf, Mr. Newberry zu sehen?
Ich kritzelte eilig ein paar Einladungen und ließ sie wegschicken. Dann machten wir uns auf den Weg zum Khán el-Khalílí. Nefret war erst einmal in Kairo gewesen, und auch das nur für knapp drei Tage. Deshalb war alles für sie neu und faszinierend. Mit weit aufgerissenen Augen staunte sie über die Waren der Goldschmiede und Seidenhändler. Ich trug das wie üblich mit Humor, während Ramses sich – ebenfalls wie üblich – immer wieder verdrückte. Wie sein Vater hatte er überall Bekannte, und ich hatte mich inzwischen damit abgefunden, daß Taschendiebe, Bettler und Verkäufer von gefälschten Antiquitäten ihn herzlich begrüßten.
Unsere letzte Station war Paschal & Company im Ezbekíyeh, wo ich einige der Haushaltsartikel erstand, die Emerson vergessen hatte. Nach einem Blick auf meine Einkaufsliste und den Stand der Sonne kam ich zu dem Ergebnis, daß wir für heute genug getan hatten, und führte mein Gefolge zurück zum Hotel.
Lautstarkes Planschen und ein unmelodischer Gesang aus dem Badezimmer sagten mir, daß Emerson bereits zurückgekehrt war. Ich machte mich gerade frisch, als er hereinkam, und zu meiner Freude konnte ich feststellen, daß er
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