Amelia Peabody 08: Der Ring der Pharaonin
Bescheidenheit täuschen zu lassen, liebe Amelia.«
»Hm. Ich glaube, dieses Wort hat noch niemand auf mich angewendet. Aber vergessen wir die Sorgen der Vergangenheit und erfreuen uns an der Gegenwart. Schau nur, Evelyn. Diese Aussicht ist doch etwas für dein kunstgeschultes Auge – die goldenen Klippen, die smaragdgrünen Felder. Und da, rechts vor uns – erkennst du den Kahn?«
»Die gute alte Philae !« Evelyn schlug die Hände zusammen. »Aber ich muß sie ja jetzt Amelia nennen. Radcliffe hat uns verraten, daß er sie für dich kaufen wollte. Doch in meiner selbstsüchtigen Trauer habe ich mich nicht so darüber freuen können, wie er wahrscheinlich gehofft hat. Ach, was für glückliche Erinnerungen werden bei ihrem Anblick in mir wach! Aber sie hat doch nur vier Kabinen, wenn ich das noch richtig im Gedächtnis habe. Du hast gesagt, du hättest eine Gouvernante für die Kinder eingestellt …«
Ich fing an zu lachen. »Meine liebe Evelyn, red nicht um den heißen Brei herum. Ich dachte, du würdest dich im Hotel wohler fühlen als auf dem engen Schiff. Aber dir und Walter zuliebe würde ich zehn Gouvernanten vor die Tür setzen. Wir werden Miss Marmaduke ins Hotel schicken.«
Mit einem bescheidenen Lächeln nahm ich ihre Dankesbezeugungen und ihren Protest entgegen. Ich hatte für Gertrude schon ein Zimmer im Luxor reserviert und ihr gesagt, sie solle ihre Koffer packen.
Als wir an Land gingen, erwartete Selim uns mit den Pferden, und mir dämmerte, daß Emerson schon die ganze Zeit vorgehabt hatte, an den Ausgrabungsort zurückzukehren.
Bei unserer Ankunft war es bereits ziemlich heiß. Besorgt beobachtete ich, wie Walter, hochrot im Gesicht und ein wenig steif, vom Pferd stieg. Ich mußte achtgeben, daß er sich nicht überanstrengte; sonst würde er tagelang an Muskelkater leiden.
Taktvoll schob ich ihn und Evelyn zu den Klappstühlen und Tischen hinüber, die ich unter einem Dach aus Segeltuch hatte aufstellen lassen. Emerson hatte zwar gemeint, ich würde »Zeit verschwenden«, aber überflüssige Unbequemlichkeit ist eine Form des Martyriums, der ich nichts abgewinnen kann. Außerdem war es auch sinnvoller. Wenn die Sonne hoch am Himmel stand, war nirgendwo ein Fleckchen Schatten zu finden; und wenn Emerson einen Felsen oder den Rücken eines unserer Arbeiter als Schreibunterlage benutzte, konnte man seine Notizen später kaum entziffern.
Gertrude saß am Tisch und grübelte über Emersons jüngsten Aufzeichnungen. (Selbst wenn er nicht auf einem Felsen schreibt, ist seine Handschrift nahezu unleserlich.) Die beiden Katzen räkelten sich in der Sonne und straften Gertrude mit Nichtachtung. Kein Lebewesen kann seinen Widerwillen subtiler zum Ausdruck bringen als eine Katze, und Bastet hatte es in dieser Kunst besonders weit gebracht, obwohl Gertrude ständig versuchte, sich mit Leckereien und ungeschickten Komplimenten bei ihr einzuschmeicheln. Ich hatte Gertrude davor gewarnt, Bastet als »Muschi« und »Miezekätzchen« zu bezeichnen, aber sie tat es trotzdem und erntete dafür ihre Geringschätzung. Allerdings wäre niemand, nicht einmal Gertrude, fähig gewesen, Anubis »Miezekätzchen« zu nennen.
Ich stellte Gertrude vor, und die Katzen beleidigten die Arme noch einmal, indem sie herbeischlenderten, um Walter und Evelyn zu begrüßen.
»Anscheinend vertragen sie sich jetzt sogar besser«, meinte Evelyn, während sie Bastet streichelte, die sich an ihren Knöcheln rieb. Anubis bevorzugte Walter und bearbeitete seine Schuhe mit den Krallen.
»Sie läßt Anubis jetzt näher als einen Meter an sich heran, ohne ihn anzufauchen«, antwortete ich. »Vermutlich ist das ein Fortschritt.«
Obwohl unsere Männer fleißige Arbeiter waren, hatten sie nichts gegen eine kleine Pause einzuwenden. Sie versammelten sich, ich stellte jeden namentlich vor, und Evelyn schenkte ihnen ihr liebreizendes Lächeln. Einige der älteren Männer kannten Walter, hatten ihn aber seit Jahren nicht gesehen. Er war besonders freundlich zu Abdullah, schüttelte ihm herzlich die Hand und begrüßte ihn in holperigem Arabisch.
»Es wird eine Weile dauern, bis ich mich wieder fließend unterhalten kann«, fügte er lachend hinzu. »Ich habe mich zu lange mit toten Sprachen beschäftigt, Abdullah.«
»Gut, daß du wieder hier bist«, entgegnete Abdullah ernst. »Und die Sitt, deine Frau.«
Er trat ein paar Schritte zurück, als Ramses erschien, der einen widerstrebenden David hinter sich herzog. Man konnte nicht
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