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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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anhand der Sonnenstrahlen allerdings fast ebenso exakt bestimmen.
    Als wir das Haus erreichten, bat David darum – er bat ständig, statt unumwunden seine Absichten darzulegen, wie es Ramses zu tun pflegte –, ausreiten zu dürfen. Nefret erklärte, daß sie ihn begleiten würde, wenn er so lange auf sie wartete, bis sie Teti einen Besuch abgestattet hatte. Da das meinen Plänen sehr entgegenkam, stimmte ich zu, warnte sie allerdings, früh genug zurückzusein, um sich für die Abendgesellschaft noch umkleiden zu können.
    »Ihr könnt in Richtung des Dair Al-Bahri reiten und Ramses mit zurückbringen«, fügte ich hinzu. »Sonst arbeitet er noch bis in die Nacht.«
    Nefret erklärte mir, daß sie genau das zu tun beabsichtigt hatte.
    Sobald sie losgeritten waren, ging ich in die Zimmer der Jungen und sammelte ihre Schmutzwäsche ein. Montag war Waschtag, und wenn ich es ihnen überließ, warteten sie bis zur allerletzten Minute.
    Auf den Seiten dieses intimen Tagebuchs gebe ich zu, daß meine Motive nicht ganz so uneigennützig und einwandfrei waren, wie es hier den Anschein hat. Ich hatte zwar zugestimmt, daß sich Emerson um Ramses und David kümmern sollte, trotzdem hatte ich stark den Eindruck, daß seine Vorstellungen von anständigen Umgangsformen junger Männer nicht den meinen entsprachen. Es war keine wissentliche Zuwiderhandlung gegen unsere Absprache, die mich veranlaßte, mir die Zimmer der Jungen einmal genauer anzusehen. Ich bin ein vehementer Verfechter des Unterbewußten, und ich zweifle nicht daran, daß eine unterschwellige Ahnung meine Handlung hervorrief – nicht unbedingt Mißtrauen, sondern ein Gefühl, daß irgend jemand irgend etwas im Schilde führte.
    Beim Anblick von Davids Zimmer mußte ich lächeln. Man hätte sicherlich angenommen, daß gerade er der ordentlichere von den beiden war, aber er hatte die sorglose männliche Angewohnheit, alles dort liegenzulassen, wo er es hingeworfen hatte – Kleider, Bücher, Zeitungen. Seine Zeichenmaterialien bedeckten jede freie Stelle außer seiner Spiegelkommode. Darauf lagen ordentlich ausgebreitet eine Reihe von Photos, einige gerahmt, andere waren mit Stecknadeln am Rand des Spiegels befestigt. Es waren die Gesichter unserer Lieben, und ich gönnte mir ein paar Minuten zärtlicher Betrachtung.
    Die große Photographie Evelyns befand sich in einem Rahmen, den David selbst hergestellt hatte. Mit größter Geschicklichkeit geschnitzte Blumen und rankende Pflanzen wanden sich darum. Sie sah sehr hübsch aus, wenn auch ein wenig steif, wie das bei solchen Photos immer der Fall ist. Die Photos, die Nefret im vergangenen Sommer mit ihrer kleinen Kodak gemacht hatte, gefielen mir besser. Raddie, Evelyns Ältester und Emersons Namensvetter, war ein ansehnlicher junger Kerl, der die sanften Gesichtszüge seines Vaters und Evelyns anziehendes Lächeln geerbt hatte. Er hatte dieses Jahr sein Studium in Oxford aufgenommen. Johnny und Davie, die Zwillinge, waren richtige Witzbolde und glichen sich wie ein Ei dem anderen. Immer, wenn sie photographiert wurden, dachten sie sich eine witzige Pose aus – in diesem Fall verkörperten sie eine lebendige Hindu-Statue mit einem Körper, acht Gliedmaßen und zwei grinsenden Köpfen.
    Mein Blick fiel auf ein besonders hübsches Bild von Evelyns ältester Tochter, die nach mir benannt worden war. Melia war – ich mußte nachrechnen – vierzehn. Glücklicherweise ähnelte sie mir nicht im geringsten! (Natürlich gab es auch keinen Grund dafür, warum sie das hätte tun sollen; das war nur einer meiner kleinen Scherze, bei denen Melia stets lachte und protestierte, daß sie ihre blonden Locken und ihre blauen Augen gern gegen mein dickes schwarzes Haar und mein vorstehendes Kinn eingetauscht hätte. Das entsprach natürlich nicht der Wahrheit, war aber eine nette Geste.)
    Der Anblick dieser lieben Gesichter, die auch David so sehr liebte, beschämte mich und vermittelte mir – ein wenig – das Gefühl, ein Eindringling zu sein. Ich ließ die zerknüllten Kleidungsstücke auf Boden, Bett und Tisch liegen, verließ das Zimmer und schloß vorsichtig die Tür.
    Ramses’ Zimmer war so leer wie ein Affenkäfig und fast genauso nichtssagend. Er hatte den Großteil seines persönlichen Besitzes auf dem Schiff zurückgelassen. Das einzige Album auf seinem Schreibtisch enthielt Photos eines Hieroglyphen-Manuskripts, dazu deren Transliteration sowie einen Teil ihrer Übersetzung. Es schien etwas mit Traumdeutung zu tun zu

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