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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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Gesichtsausdrucks bemerkte, bereute ich meine vorwitzige Bemerkung. »Ich hätte das nicht sagen sollen. Gewalt gegenüber Frauen findet nur allzu häufig statt und ist zu schrecklich, als daß man so leichtfertig darüber sprechen sollte. Ich habe das nicht wörtlich gemeint, ich dachte nur …«
    »Ich verstehe.« Nach einem kurzen Augenblick fuhr sie fort: »Habe ich mich verraten? Nun, warum sollte ich es leugnen? Mein treuloser verstorbener Ehegatte war ein Schürzenjäger, wollte es zumindest sein. Er hat es mir nicht leicht gemacht, Mrs. Emerson. Ich wehrte mich, wann immer ich konnte. Ich hätte ihn sogar verlassen, aber wie so viele Frauen wußte ich nicht wohin und wie ich mich und meine beiden Kinder allein durchbringen sollte.«
    »Sie haben Kinder?«
    Sie tastete nach dem goldenen Medaillon, das sie an einem Band auf ihrem Dekolleté trug, und öffnete es.
    »Einen Jungen und ein Mädchen. Bertie ist zwölf, Anna zehn. Sie sind beide im Internat.«
    Die Gesichter waren aus billigen Photographien ausgeschnitten und im schwachen Lichtschein nur schwer zu erkennen. Es bestand eine gewisse Ähnlichkeit, dachte ich, zwischen den Gesichtszügen des Jungen und denen seiner Mutter; was mich allerdings am meisten bewegte, war die Wärme ihres Lächelns.
    Bevor ich noch darüber nachdenken konnte, was ich sagen sollte, schloß Mrs. Jones das Medaillon wieder.
    »Um es kurz zu machen, Mrs. Emerson, mein Ehemann fiel vom Pferd, als er sich auf dem Rückweg von einem Freund befand. Er hatte übermäßig getrunken, wie er das häufiger tat, und eine Dezembernacht in der Heidelandschaft von Yorkshire brachte ihm den Tod – was mich vermutlich von dem Problem erlöste, selbst dafür zu sorgen. Durch Mißmanagement und Gleichgültigkeit hatte er einen Großteil seines Besitzes verschleudert. Ich war dazu gezwungen, das wenige, das er uns hinterlassen hatte, für die Ausbildung der Kinder zusammenzuhalten, deshalb mußte ich mir eine Anstellung suchen. Ich war Gouvernante, Hausdame und Lehrerin an einer Mädchenschule.
    Ich hatte weder die Zeit noch das Geld, mich für eine besser bezahlte Beschäftigung ausbilden zu lassen, selbst wenn es so etwas für Frauen gegeben hätte. Meine derzeitige Tätigkeit hat sich eher zufällig ergeben. Das einzige, was mir daran mißfällt, ist, daß sie auch nicht besser bezahlt wird. Wenn ich etwas Lukrativeres finden könnte, würde ich es vermutlich annehmen.«
    Sie stellte ihre Tasse auf dem nahegelegenen Tisch ab.
    »Entschuldigen Sie, Mrs. Emerson, daß ich Sie mit meiner Lebensgeschichte langweile. Ich werde diesem Thema nichts mehr hinzufügen; ich wollte eigentlich gar nicht so viel preisgeben. Sollen wir uns zu den Musikanten gesellen und den Abend mit einem entsprechenden Chor beenden?« Cyrus, der eine gute Tenorstimme besaß, sang gerade »Kathleen Mavourneen« und bemühte sich vergeblich um einen irischen Akzent. Als er geendet hatte, applaudierten wir alle, und dann – es war Mrs. Jones’ Vorschlag – stimmten wir gemeinsam in einen schwungvollen Chorgesang zu »Bonnie Dundee« ein, bis auf Ramses, der die Teilnahme abgelehnt hatte und uns aus halbgesenkten Lidern wie eine alte Eule beobachtete.
    »Dann ist es also abgemacht«, sagte Mrs. Jones, als wir uns auf den Aufbruch vorbereiteten. »Morgen früh werde ich Colonel Bellingham meine Dienste anbieten.«
    »Ich denke, es wäre besser, wenn ich Sie begleitete«, sagte ich. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mrs. Jones, können Sie mit uns gemeinsam frühstücken, und später suchen wir zusammen den Colonel auf.«
    Sie akzeptierte den Vorschlag, und als wir die beiden verließen, standen sie winkend an der Tür, wie Gastgeber und Gastgeberin, die ihre Gäste verabschiedeten. Weil ich aufgrund von Emersons vorgeschobenem Kinn und seinen zusammengezogenen Augenbrauen befürchtete, daß er sich vielleicht zu einer belanglosen Spekulation in dieser Angelegenheit berufen fühlte, hielt ich es für ratsam, ihn abzulenken, indem ich das Thema wechselte.
    »Ramses, ich möchte, daß du und David die heutige Nacht im Haus verbringt.«
    »Ja, Mutter.«
    Ich beobachtete ihn mißtrauisch. »Im Haus. Die ganze Nacht.«
    »Ja, Mutter.«
    »In euren Zimmern. Bis …«
    »Hör auf, Peabody«, sagte Emerson mit leicht undeutlicher Stimme, was vielleicht von unterdrücktem Lachen herrührte. Vielleicht aber auch nicht. Als er fortfuhr, war er völlig ernst. »Scudder wird die Valley of the Kings heute nacht nicht aufsuchen. Er weiß,

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