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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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ihn gerade noch erkennen, wie er über den unwegsamen Boden kroch. Hinter ihm war eine dunkle Öffnung – die zu der Kammer, die Emerson am Tag zuvor entdeckt hatte. Über und neben ihm waren die dünnen Silhouetten der Stützbalken, die die Decke trugen. In seiner unmittelbaren Nähe befand sich ein weiterer Schatten, wie ein Bündel Lumpen.
    Emerson hielt die Kerze hoch und schritt weiter. Ramses blickte nicht auf. Nachdem er das unförmige Bündel neben sich gepackt hatte, zerrte er daran, bis es flach auf dem Boden lag – so flach, wie das auf dieser schrägen Fläche eben möglich war. Der Lichtkegel reflektierte Augäpfel, die so glanzlos wie Milchglas waren. Der Mund stand offen, und die Hakennase warf einen grotesken Schatten auf eine der beiden Gesichtshälften. Dutton Scudder war zu seiner letzten Ruhe in dieses Grab gekommen, das er für die Frau vorbereitet hatte, die er liebte.
    Ramses nahm seinem Vater die Kerze ab und schob die zerrissene Galabija beiseite. Das schwache Licht ließ die untere Hälfte des Torsos in gnädigem Schatten. Fleisch und Stoff, Knochen und Muskeln hatten sich in eine dunkle, entsetzliche Masse verwandelt. Ramses’ Zeigefinger berührte eine alte Narbe, die ungefähr zwei Zentimeter lang war und genau unter dem Schlüsselbein entlanglief.
    »Wenn er ein paar Zentimeter höher gezielt hätte, hätte er das unkenntlich gemacht«, sagte Ramses. »Trotzdem war es kein schlechter Schuß bei diesem Licht.«
    »Danke.« Der Colonel trat aus der Dunkelheit der Grabkammer hervor. Sein Jagdanzug aus Tweedstoff war blutbefleckt und rissig, aber sein Gesicht war die übliche Maske der Höflichkeit. Er hielt eine doppelläufige Flinte in seiner Armbeuge.
    Ramses richtete sich auf, und Bellingham sagte höflich: »Wie schade, daß Sie heute morgen so früh gekommen sind. Wenn Sie zu Ihrer gewohnten Zeit hier eingetroffen wären, wäre ich bereits verschwunden und das Beweisstück unter mehreren Tonnen eingestürzter Felsbrocken begraben. Nein, Professor, bleiben Sie, wo Sie sind. Ich habe nichts mehr zu verlieren und wenig Skrupel, denen etwas anzutun, die mich dazu gebracht haben. Außer … Gehen Sie zurück, Miss Forth. Ich habe kein Interesse daran, Sie zu verletzen.«
    Natürlich wich Nefret nicht zurück. Emersons ausgestreckter Arm hielt sie lediglich davon ab, noch weiter vorzupreschen. »Bitte, Colonel, es gibt überhaupt keinen Grund, daß Sie irgend jemanden verletzen«, sagte sie mit leiser, besänftigender Stimme. »Lassen Sie uns alle zurückgehen – Sie natürlich auch. Kommen Sie mit mir. Nehmen Sie meine Hand.«
    Bellingham lachte. »Hübsch eingefädelt, Miss Forth, aber jetzt ist es für Ihre weiblichen Listen zu spät. Ich wußte schon gestern, daß es Mrs. Emerson gelungen ist, Sie gegen mich aufzuhetzen. Sie hat mich sogar beschuldigt, Lucinda umgebracht zu haben …«
    »Gütiger Himmel«, sagte ich. »Wie wahr es doch ist, daß die Schuldigen fliehen, auch wenn sie gar nicht verfolgt werden. Sie haben mich mißverstanden, Colonel.«
    »Sie zweifeln doch nicht daran, oder? Aber vielleicht gibt es noch einige Punkte, die Ihnen unklar sind. Das muß Sie doch stören. Kommen Sie näher zu mir, und ich werde Ihre Fragen beantworten.«
    »Peabody«, schrie Emerson. »Wenn du auch nur einen Schritt …«
    »Also, Emerson, beruhige dich«, sagte ich. Die Flinte war auf seine Brust gerichtet, und Nefret stand neben ihm.
    »Kommen Sie, Mrs. Emerson«, wiederholte der Colonel.
    Ich hatte keine andere Wahl. Sobald ich nahe genug an ihn herangetreten war, packte er mich mit seinem linken Arm. Ich hatte gehofft, ich könnte ihm vielleicht die Waffe entreißen, aber ich begriff sofort, daß das unmöglich war. Seine Finger lagen fest am Abzug, und in dieser Enge würde selbst ein zufälliger Schuß jemanden von uns treffen. Meine einzige – schwache – Hoffnung bestand darin, ihn davon zu überzeugen, daß er redete und nicht aufhörte zu reden. Mörder, so habe ich festgestellt, lieben es, sich ihrer Klugheit zu brüsten. Und man weiß nie – vielleicht wendete sich das Blatt ja doch noch zu unseren Gunsten!
    »Also«, sagte ich ermutigend. »Wie ist es Ihnen gelungen, Scudder und Lucinda zu verfolgen, obwohl sogar die Polizei daran gescheitert ist?«
    »Ich habe dafür gesorgt, daß die Polizei sie nicht finden konnte, Mrs. Emerson. Es war eine reine Privatangelegenheit, eine Sache der Ehre. Ich wußte, daß ihre Zofe beteiligt sein mußte; ohne ihre Hilfe hätte Lucinda das

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