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Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses

Titel: Amelia Peabody 09: Ein Rätsel für Ramses Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Peters
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und gab ihm meines zusammen mit meiner Feldflasche.
    »Dein Vater wird uns letztlich hier ausgraben«, fuhr ich fort. »Aber das kann eine Weile dauern, und – autsch! Gib mir das Taschentuch, Ramses, und ich werde mir mein Gesicht auch abwischen. Glaube nur nicht, daß ich die freundliche Geste mißverstehe. Äh – bist du sicher …«
    »Ja. Ich sah, daß er zitterte. Die Luft war keineswegs kühl. Das Gegenteil war eher der Fall.«
    Ich sagte rasch: »Wie ich bereits sagte, dein Vater wird uns sicherlich finden, aber da wir momentan ohnehin nichts Besseres zu tun haben, können wir genausogut das Grab untersuchen. Es muß noch einen weiteren Ausgang haben, sonst hätte Bellingham nicht hierher zurückkehren können.«
    Ramses betrachtete mich mißtrauisch. »Bitte verzeih mir, wenn ich das sage, Mutter, aber ich halte das für eher unwahrscheinlich.«
    Ich war erleichtert, daß mein Ablenkungsversuch Erfolg gehabt hatte. Einer aus der Familie Emerson, der argumentieren kann, ist wiederhergestellt.
    »Wie dem auch sei«, fing ich an.
    »Ja, sicher. Es kann nicht schaden, einen Blick zu riskieren. Du meinst, daß ich es tun sollte, vermute ich, da es nicht angeraten wäre, daß du dich jetzt bewegst. Ich lasse dich allerdings ungern allein in der Dunkelheit zurück.«
    »Ich habe noch eine Kerze. Aber ich denke, wir sollten sie nicht verschwenden. Geh ruhig, ich habe im Dunkeln keine Angst.«
    Ich gab ihm meine Kerze. Er zögerte einen Augenblick, nickte dann wortlos und verschwand.
    Erst da ließ ich mich gegen die Wand sinken. Ich wollte nicht, daß er bemerkte, wie erschöpft ich mich fühlte oder welche Angst ich hatte – nicht um mich und auch nicht um Ramses. Unsere Lage war zwar keineswegs beneidenswert, aber wir lebten, und Emerson würde sicherlich so lange graben, bis er uns befreit hatte.
    Falls er lebte. Mein letzter Eindruck von der Lawine war alles andere als beruhigend gewesen. Würden die von ihm errichteten Stützbalken halten, oder würden sie unter der Last des tonnenschweren Gesteins wie eine Reihe Dominosteine zusammenstürzen? War er impulsiv auf mich zugerannt, statt sich in Sicherheit zu bringen, wie es die Vernunft gemahnte? Emerson war nicht vernünftig, wenn es um meine Sicherheit oder die von Ramses ging. Ramses wußte das ebensogut wie ich. Er wußte, daß er vielleicht die Menschen verloren hatte, die er am meisten liebte – seinen Vater, seine Schwester, seinen besten Freund. Er wußte genauso wie ich, daß es keinen weiteren Ausgang gab. Ägyptische Felsengräber sind nicht mit Hintertüren konstruiert. Aber die Suche würde ihn beschäftigen und ihn von der reglos auf dem Boden liegenden Gestalt fernhalten.
    Da ich in diesem Augenblick nichts Besseres zu tun hatte, versuchte ich mich daran zu erinnern, wie viele Menschen ich getötet hatte. Nach reiflicher Überlegung stellte ich zu meiner eigenen Überraschung fest, daß die Summe wohl Null lautete. Irgendwie hatte ich den Eindruck gehabt, daß es doch ein paar gewesen waren.
    Nicht, daß ich es nicht versucht hätte – natürlich immer zur Selbstverteidigung oder um meine Lieben zu verteidigen. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, daß ein Sonnenschirm, auch wenn er sehr nützlich ist, doch eben keine tödliche Waffe ist und daß meine kleine Pistole nur einen sehr begrenzten Radius hatte.
    Das Rumoren fallender Gesteinsmassen tief im Inneren der Grabstätte erschreckte mich. Doch dann hörte ich Ramses’ Stimme. »Alles in Ordnung. Nichts passiert.«
    »Sei vorsichtig«, warnte ich, als wenn das etwas nutzte.
    Zweifellos, überlegte ich, verursachte der erste Mord irgendwie eine Nervenanspannung, besonders ein Mord, der so entsetzlich gründlich wie dieser hier ausgeführt worden war. Es würde sicherlich eine ganze Weile dauern, bis ich dieses Geräusch vergaß – das Knacken splitternder Knochen und eine Art feuchtes, glucksendes Klatschen. Ich war mir sicher, daß Ramses den Mann nicht hatte töten wollen, sondern ihn nur einzuschüchtern versuchte, um ihn davon abzuhalten, einen von uns umzubringen. Er war jung und unerfahren, und er hatte mit einem Gegner um sein Leben und um das meine gekämpft, der vor Wut und Verzweiflung nicht mehr Herr seiner Sinne war. Unter solchen Bedingungen ist es schwierig, das erforderliche Kräftemaß exakt zu bestimmen. Obwohl ich Christin bin, konnte ich diese Tatsache nicht bedauern. Wir hatten schon genug Probleme, ohne uns auch noch darum kümmern zu müssen, wie wir einen

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